Vierter Artikel. Christus hat gemäß dem Gesetze gelebt.
a) Dagegen spricht: I. Christus hat am Sabbath kranke geheilt und ihnen geboten, ihr Bett mit sich zu tragen; das war aber gegen das Gesetz der Sabbathsruhe. II. Christus fing an zu thun und zu lehren,“ nach Act. 1. Er lehrte aber (Matth. 15, 2.), „daß das, was in den Mund eintritt, den Menschen nicht verunreinigt,“ was gegen das Gesetz war, welches Lev. 11. sagt, man werde unrein durch das Essen und Berühren gewisser Tiere. III. „Nicht nur jene sind schuldig, die wirklich etwas thun, sondern auch die beistimmen denen, die so thun“ (Röm. 1.). Christus aber stimmte bei, als die Jünger am Sabbathe Kornähren rauften (Matth. 12.). Also hat der Herr in seinem Leben das Gesetz nicht gehalten. Auf der anderen Seite sagt Er selbst (Matth. 5.): „Nicht bin ich gekommen, das Gesetz und die Propheten zu lösen, sondern sie zu erfüllen;“ wozu Chrysostomus bemerkt (hom. 16. in Matth. 1.): „Er hat das Gesetz erfüllt, denn Er hat keine Gesetzesvorschriften übertreten; und ferner hat Er gerechtfertigt durch den Glauben, was das Gesetz durch den Buchstaben nicht vermochte.“
b) Ich antworte, Christus sei deshalb beschnitten worden, damit Er dadurch seinen Willen ausdrücke, in Allem nach dem Gesetze zu leben. Denn Gal. 5. heißt es: „Dies bezeuge ich allen Menschen, die sich beschneiden; sie seien schuldig, das ganze Gesetz zu beobachten.“ Christus aber wollte gemäß dem Gesetze leben: 1. Damit Er dieses Alte Gesetz dadurch billige; — 2. damit Er dadurch daß Er es erfülle dasselbe in Sich abschließe und vollende; — 3. damit Er den Juden keinen Anlaß biete, Ihn zu verleumden; — 4. damit Er „die, welche unter dem Gesetze waren, erlöse“ und befreie von der Knechtschaft des Gesetzes (Gal. 4.).
c) I. Christus antwortet selber auf diesen Vorwurf: 1. Durch dasdritte Gebot über die Sabbathsruhe wird das menschliche Werk verboten, nicht das Werk Gottes; denn Gott wirkt fortwährend in der Erhaltung und Regierung der Welt. Das Wunderwirken aber war göttliches Wirken, nach Joh. 5.: „Der Vater wirkt bis jetzt und auch ich wirke.“ 2. Durch dieses Gebot werden nicht betroffen die zum Heile, auch zum körperlichen, notwendigen Werke, nach Luk. 13, 15.: „Wer führt nicht am Sabbath seinen Ochsen oder Esel zur Tränke;“ und Luk. 14, 5. Die Wunder Christi aber gehörten zum Heile des Leibes und der Seele. 3. Dieses Gebot schließt nicht ein die Werke der Gottesverehrung, nach Matth. 12.: „Habt ihr nicht gelesen, daß an den Sabbathen die Priester in den Tempeln die Ruhe verletzen und zwar ohne daß ihnen dies zur Sünde angerechnet wird;“ und Joh. 7.: „Die Beschneidung empfängt der Mensch am Sabbath.“ Daß aber Christus dem kranken befahl, sein Bett zu tragen, gehörte zur Gottesverehrung, d. h. zum Lobpreise der göttlichen Kraft. Daraus geht hervor, daß trotz des Vorwurfes der Pharisäer (Joh. 9.) der Herr den Sabbath nicht verletzte. II. Der Herr wollte sagen, in der Seele werde der Mensch nicht unrein durch solche Speisen, wenn dieselben für sich betrachtet werden. Im Gesetze aber werden Speisen als unrein bezeichnet wegen dessen, .was sie bezeichnen. Deshalb sagt Augustin (6. c. Faustum 7.): „Wird das Schwein und das Lamm für sich betrachtet, so ist beider Natur rein, denn jede Kreatur Gottes ist gut; nach dem, was sie bezeichnen, aber ist das Lamm rein, das Schwein unrein.“ III. Die Jünger werden entschuldigt, weil sie Hunger hatten. So hat auch David das Gesetz nicht übertreten, als er aus Hunger die Schaubrote aß.
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