Vierter Artikel. Die Wunder an unbeseelten Dingen.
a) Solche Wunder waren nicht zulässig. Denn: I. Die Tiere sind besser wie die Pflanzen. Der Herr aber machte Wunder an Pflanzen, wie Matth. 21. am ausgedörrten Feigenbaume. Also hätte Er auch deren an Tieren machen müssen. II. Strafe wird nur verhängt wegen einer Schuld. Es war aber micht die Schuld des Feigenbaumes, daß er keine Frucht brachte, so lange dafür die Jahreszeit nicht da war. Also hat Er ihn unzulässigerweise verdorren lassen. III. Das Wasser und die Luft sind zwischen Himmel und Erde. Der Herr aber machte Wunder an der Erde, als diese bei seinem Leiden bebte; Er machte Wunder am Himmel, als die Sonne sich verfinsterte. Also hätte Er Wunder machen müssen auch am Wasser, wie Moses am Roten Meere, Josua am Jordan und Elias; und ebenso in der Luft, wie Elias (3. Kön. 18.) und wie als das Gesetz gegeben wurde (Exod. 9.). IV. Die Wunder gehören zum Werke der Weltregierung, wofür die Erschaffung die Vorbedingung bildet. Ungehörigerweise also hat der Herr die Brote vermehrt, was in das Bereich des Erschaffens gehört. Auf der anderen Seite „lenkt der Herr Alles mit milder Sanftmut“ (Sap. 8.).
b) Ich antworte, die Wunder sollten die Kraft der Gottheit in Christo behufs des Heiles der Menschen zeigen. Der Kraft der Gottheit aber gehört es zu, daß alle Kreatur ihr unterworfen ist. Also an allen Arten Kreaturen ziemte es sich, daß Christus Wunder wirkte; nicht allein an Menschen, sondern auch an den leblosen Kreaturen.
c) I. Die Tiere stehen dem Menschen nahe, weshalb sie ja auch am selben Tage geschaffen sind. Da also viele Wunder Christus an den Menschen machte, brauchte Er deren nicht an den Körpern von Tieren zu wirken; zumal der Charakter des sinnlichen Teiles im Menschen so ziemlich auf der gleichen Stufe steht mit dem der Tiere, besonders der auf dem Boden lebenden. Die Fische stehen schon dem Menschen ferner, weshalb der Herr beim Fischfange besondere Wunder wirkte (Luk. 5.; Joh. ult.); und ebenso beim Fische, den Petrus fing und dem der Herr die Münze aus dem Maulenahm. Daß die Schweine ins Meer stürzten, war kein Wunder von seiten Christi; sondern dem Einwirken der Dämonen geschuldet und vom Herrn nur zugelassen. II. „Fragen, welche Schuld der Feigenbaum hatte, daß er ausdörrte, ist höchste Thorheit,“ so Chrysostomus (68. in Matth.); „denn in solchen Dingen ist weder Schuld noch Strafe. Das Wunder blicke an und bewundere den, der es gemacht.“ Auch thut der Schöpfer kein Unrecht dem Besitzer an, wenn Er seiner eigenen Kreatur sich bedient zum Heile anderer. Vielmehr „finden wir hier“ (Hilarius sup. Matth. 21.) „einen Beweis der Güte des Herrn. Denn wo Er wollte ein Beispiel geben des menschlichen Heiles, das in Ihm seinen Ursprung hat, da zeigt Er die Gewalt seiner Kraft an menschlichen Leibern; — wo Er aber zeigen will seine Strenge gegen die hartnäckigen, da nimmt Er einen Baum als abschreckendes Beispiel;“ und „Er nimmt einen von Natur sehr feuchten Baum, damit desto größer das Wunder erscheine“ (Chrysost. l. c.). III. An der Luft und am Wasser wirkte Er auch Wunder; denn „Er gebot dem Meere und dem Sturme; und es ward eine große Stille“ (Matth. 8.). Ihm aber, der Alles zur Einheit im Frieden zurückzurufen gekommen war, kam es nicht zu, Donner und Blitz zu veranlassen oder die Wasser zu teilen. Deshalb spricht Paulus (Hebr. 12.): „Ihr seid nicht herangetreten zum unnahbaren und leicht zu entstammenden Feuer und nicht zu Sturm, Dunkel und Wirrnis.“ Bei dem bitteren Leiden aber „ward geteilt der Vorhang,“ um anzudeuten die Offenbarung der Geheimnisse Gottes; „es öffneten sich die Gräber,“ weil durch seinen Tod das Leben wieder geschenkt ward; „die Felsen spalteten sich,“ damit erweicht würden die Herzen von Stein in den Menschen bei seinem bitteren Leiden und weil kraft dieses Leidens die ganze Welt zu Besserem hin verändert werden sollte. IV. Die Vermehrung der Brote geschah nicht durch Erschaffen; sondern durch Hinzufügen fremden Stoffes, der in Brot verwandelt ward. Deshalb sagt Augustin (tract. 24.): „Von wo her Gott aus wenigen Samenkörnern eine reiche Frucht hervorgehen läßt; von da her wurden vermehrt in seinen Händen die fünf Brote.“ Die Samenkörner aber werden vervielfältigt durch Verwandlung fremden Stoffes in die Substanz der Frucht.
