Zweiter Artikel. Über die geordnete Reihenfolge in den Sakramenten.
a) Die vorgedachte Reihenfolge ist keine geordnete. Denn: I. Nach 1. Kor. 15. „ist zuerst das Sinnliche, dann das Geistige.“ Also müßte an erster Stelle die Ehe stehen als der Quell der leiblichen Geburt; und dann die Taufe als Quell der geistigen Geburt. II. Durch die Priesterweihe erhält jemand wirkende Gewalt mit Rücksicht auf die Sakramente. Das Wirken steht aber immer voran dem Empfangen. Also müßte die Priesterweihe zuerst kommen. III. Die Eucharistie ist die geistige Nahrung; die Firmung das vollendete Wachstum. Die Nahrung aber ist die Ursache des Wachstums. Also muß die Eucharistie kommen vor der Firmung. V. Die Buße bereitet den Menschen vor zur Eucharistie. Also muß sie vorher stehen. VI. Die letzte Ölung ist am nächsten dem letzten Endzwecke. Also muß sie zuletzt kommen. Auf der anderen Seite ist die gedachte Reihenfolge die von allen angeführte.
b) Ich antworte; wie das eine Einige früher ist als die Menge, so stehen die Sakramente, welche der Vollendung der eigenen einen Person dienen, voran denen, welche zur Vervollkommnung der Vielheit gereichen. Deshalb stehen zuletzt unter den Sakramenten die Ehe und die Priesterweihe, die sich auf die Vielheit beziehen; und zwar kommt die Ehe nach der Priesterweihe, weil sie weniger teilhat am geistigen Leben, welches der Zweck der Sakramente ist. Unter den Sakramenten aber, welche auf die eigene einzelne Person sich beziehen, sind zuerst jene, welche an und für sich der Vollendung des geistigen Lebens dienen; und dann jene, welche dem geistigen Leben dienen unter einer gewissen Voraussetzung, nämlich weil sie Hindernisse des geistigen Lebens entfernen wie die Buße und die letzte Ölung, von denen die Buße das geistige Leben wieder beginnt, die letzte Ölung die letzten Hindernisse entfernt, sonach diese mit Recht die letzte Stelle einnimmt. Unter den drei übrigen Sakramenten ist ganz naturgemäßerweise das erste die Taufe als geistige Wiedergeburt; das zweite die Firmung als Kräftigung des geistigen Lebens; das dritte die Eucharistie, deren unmittelbarer Zweck die Vollkommenheit ist.
c) I. Die Ehe gehört zum sinnlichen Leben in ihrer Natur; zum geistigen Leben als Sakrament; und als am wenigsten beitragend zum geistigen Leben steht es zuletzt unter den Sakramenten. II. Damit etwas wirken könne, muß es zuvörderst in sich im gehörigen Maße vollendet sein. Früher also kommen die Sakramente, durch welche der Mensch in sich selbst vollendet wird, wie das Sakrament der Priesterweihe, wodurch er geeignet wird, andere zu vollenden. III. Die Nahrung geht dem Wachstum vorher als seine Ursache; und sie folgt demselben als das den gehörigen Umfang bewahrende Element. Danach also kann die Eucharistie vor die Firmung gesetzt werden, wie Dionysius thut (4. et 5. de eccl. hier.) und kann auch nachher gesetzt werden, wie es Lombardus thut (4. d. 7 et 8.). IV. Dies würde mit Recht gesagt werden, wenn die Buße notwendigerweise vorhergehen müßte der Eucharistie. Aber dem ist nicht so. Denn ist jemand ohne Todsünde, so bedarf er nicht des Bußsakramentes, um an der Eucharistie teilzunehmen: „Du, Herr,“ heißt es 2. Paral. ult., „hast keine Buße angesetzt für die gerechten.“ V. Aus dem angegebenen Grunde ist die letzte Ölung das letzte unter jenen Sakramenten, welche die einzelne Person vollenden.
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