11. Kap. Die damaligen Führer der Häresie.
„Valentin kam unter Hyginus nach Rom, gewann unter Pius Ansehen und blieb noch bis Anicet. Auch Cerdo, der Vorläufer Marcions, kam unter Hyginus, dem neunten Bischof, in die Kirche, wo er das Glaubensbekenntnis ablegte. Seine weitere Geschichte war: er trug im geheimen Lehren vor, legte wiederum das Glaubensbekenntnis ab, wurde schlechter Lehren überführt und fiel von der Gemeinschaft der Brüder ab.“1 So erzählt Irenäus im dritten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“. Im ersten Buche führt er über Cerdo aus:2 „Als ein gewisser Cerdo, der von den Anhängern Simons beeinflußt worden war, sich unter Hyginus, dem neunten Bischöfe seit den Aposteln, in Rom aufhielt, lehrte er, der vom Gesetze und den Propheten verkündete Gott wäre nicht identisch mit dem Vater unseres Herrn Jesus Christus; der eine wäre erkennbar, der andere unerkennbar, der eine gerecht, der andere gut. Sein Nachfolger Marcion aus Pontus machte durch seine schamlosen Lästerungen noch mehr Schule.“3 Irenäus deckt auch äußerst geschickt die unergründliche Tiefe der zahlreichen Irrtümer Valentins bezüglich der Materie auf und legt dessen Schlechtigkeit bloß, die sich gleich einer in der Höhle wohnenden Schlange versteckt und verborgen hielt.4 Er erzählt auch, daß zu gleicher Zeit noch ein anderer Irrlehrer, namens Markus, ein in den magischen Künsten sehr erfahrener Mann, lebte.5 Über die unheiligen Heiligungen und die schmutzigen Einweihungen äußert er sich wörtlich also:6 „Die einen bereiten ein Brautgemach und vollziehen die Weihe unter gewissen Worten an die Weihekandidaten. Sie nennen diese Zeremonie geistige Vermählung und spielen auf S. 169 die himmlischen Vermählungen an. Andere führen die Kandidaten an das Wasser und taufen sie mit den Worten: ‚Im Namen des unerkennbaren Vaters aller, in der Wahrheit, der Mutter aller, und in dem, der auf Jesus herabgekommen ist.’ Andere sprechen hierbei hebräische Worte, um auf die Weihezöglinge um so tieferen Eindruck zu machen.“
Nach vier Jahren bischöflichen Wirkens starb Hyginus, worauf Pius mit der kirchlichen Regierung in Rom betraut wurde. In Alexandrien wurde Markus zum Hirten erwählt, nachdem Eumenes im ganzen 23 Jahre regiert hatte. Markus ging nach zehnjähriger Amtstätigkeit zur Ruhe, worauf Celadion die Leitung der Kirche in Alexandrien übernahm. Nachdem in Rom Pius im 15. Jahre seines bischöflichen Wirkens verschieden war, trat Anicet dort an die Spitze. Zu seiner Zeit kam Hegesippus, wie er selbst berichtet, nach Rom, um hier bis zu Bischof Eleutherus zu bleiben. Zur Zeit dieser Bischöfe trat vor allem Justin hervor, der im Gewande eines Philosophen das göttliche Wort verkündete und in seinen Schriften für den Glauben kämpfte. In einer Schrift, welche er gegen Marcion verfaßt hat, erwähnt er, daß zur Zeit, da er schrieb, Marcion noch am Leben war. Er sagt:7 „Ein gewisser Marcion aus Pontus lehrt noch jetzt seine Anhänger, sie sollen glauben, daß es einen Gott gebe, der noch größer ist als der Weltschöpfer. Mit Hilfe der Dämonen hat er bei allen Volksstämmen die Massen dazu verführt, den Weltschöpfer zu schmähen und zu leugnen, daß er der Vater Christi ist, dagegen einen anderen zu bekennen, der größer wäre als der Weltschöpfer. Alle, die sich von diesen Ideen beeinflussen lassen, werden, wie wir sagten, Christen genannt, wie ja auch den Philosophen, obgleich sie in ihren Lehren auseinandergehen, dennoch der Name Philosophie gemeinsam ist.“ Dann fährt Justin fort:8 „Wir haben auch eine Schrift gegen alle Häresien ver- S. 170 faßt. Wenn ihr sie zu lesen wünscht, werden wir sie euch geben.“ Nachdem Justin eine treffliche Schrift gegen die Hellenen und weitere Bücher, welche eine Verteidigung unseres Glaubens enthalten, fertiggestellt hatte,9 wandte er sich damit an Antoninus Pius und den römischen Senat; hatte er doch auch in Rom seinen Aufenthalt genommen. In der Apologie äußert er sich selbst über seine Person und seine Herkunft also:10
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Vgl. R. A. Lipsius, „Valentinus und seine Schule“, in Jahrb. f. protest. Theol. 1887, S. 585—658. ↩
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I 27, 1 f. ↩
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Vgl. A. v. Harnack, „Neue Studien zu Marcion“, in TU 44, 4 (1923); ders., „Marcion: Das Evangelium vom fremden Gott“, in TU 45 (1924). ↩
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I 1—9. ↩
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I 13, 1. ↩
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I 21, 3. ↩
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Apol. I 26. ↩
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Ebd. ↩
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Über Justins Schriften vgl. unten Kap. 18. ↩
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Apol. I 1. ↩