3.
Aber die Rede verliert die Zügel und stürmt fort und überschreitet die Grenzen und wagt sich an das Geheimnißvolle und läßt sich fortreissen, es auszusagen, als ob sie das Unsichtbare sähe, daß wegen dieses Lautes, der Christum offen bekannte, von oben ein Geräusch und Lobspruch der heiligen Engel und der rauschende Beifall ertönte, den die Bürger der himmlischen Stadt der guten That zollten, und die ganze himmlische Versammlung sich freute. Denn was für ein Schauspiel zeigte sich damals unter den Menschen in der Welt den Engeln? Was für eine Verwicklung des Teufels mit den Menschen sahen Die, welche unser Leben schauten? Wie viel anders stand seine Sache, als bei dem ersten Kampfe, da die Schlange den Adam überwand? Nicht einen einzigen Angriff des Bösen ertrug damals der Mensch, der durch einen schönen reizenden Anblick auf ihn gemacht wurde, sondern kaum war der Angriff gemacht, so fiel und unterlag er. An Diesen allen aber war der Angriff des Feindes ohne Kraft und Wirkung. Er köderte sie mit Versprechungen, sie traten sie mit Füßen; er suchte sie mit Drohungen zu schrecken, sie lachten über dieselben. Nur Eines fürchteten sie, von Christus getrennt zu sein; nur nach einem Gute strebten sie, Christum allein zu besitzen, alles Übrige galt ihnen als lächerlicher Schatten und leeres Traumgebilde. Deßhalb erhebt sich die Rede zu dem Unsichtbaren und spricht aus, daß die ganze überirdische Macht über den Sieg der Wettkämpfer frohlockte. Noch schwingt sich die Rede zu einem kühnen Wagstück empor, erkühnt sich nämlich, das Überirdische zu erklären, daß für den Fall, wenn Dieß hier gut von Statten gehe, der gerechte Preisrichter in dem Kampfe mit den Gegnern die Siegeskronen anbot und der oberste Führer der göttlichen Macht den Siegern die Preise bereitete und der heilige Geist mit den vielfältigen Gnadengaben sie ausstattete. Denn da sie den Glauben S. 441 an die Dreiheit bekannten, so wurde ihnen deßhalb auch die Gnade der Dreiheit1 zugemessen.
Worin bestand aber die Gnade? Gerade darin, daß sie höher erschienen als die ersten Kämpfer, als Adam und Eva nämlich. Jene stürzten die aufrecht stehende Menschennatur. Diese richteten sie, als sie in Folge des früheren Falles darniederlag, wieder auf. Jene wurden aus dem Paradiese auf die Erde verstoßen, Diese von da ins Paradies verpflanzt; Jene bewaffneten gegen sich den Tod, ― denn eine Waffe des Todes ist die Sünde, heißt es, ― Diese überwanden den mit der Sünde bewaffneten Tod durch ihre Herzhaftigkeit, indem sie durch die Geduld in den Leiden dem Stachel die Spitze abbrachen, so daß sie passend sagen: „Tod, wo ist dein Stachel? wo dein Sieg, o Hölle?“2 Was ist werthloser als die Frucht des Holzes, was geringfügiger als das Holz? Die Frucht, verführerisch durch schöne Farbe und guten Geschmack, bewirkte, daß die Gnade des Paradieses verschmäht wurde. Diesen großen Kämpfern aber zeigte sich nicht einmal die Sonne selbst erwünscht, sondern sie schieden von dieser freiwillig, um nicht das wahre Licht zu verlieren. Was sagt das Wort von der Eva? Denn ich lasse mich sogar weiter als geziemend fortreissen, von den Ureltern zu reden. Sie sah, heißt es, daß sie schön anzusehen und zum Genuß reif war,3 dann gab sie für diesen Reiz das Paradies hin. Diesen gewährten die Gegenstände, welche sie sahen, die Annehmlichkeit des Genusses: Himmel, Sonne, Erde, Menschen, Vaterland, Mütter, Brüder, Freunde, Verwandte, Altersgenossen. Und was ist auch süßer zu schauen, welcher Genuß schätzenswerther? Ihr Kinder kennt die Liebe zu eueren Eltern, ihr Eltern S. 442 kennt euere Gesinnung gegen euere Kinder. Du, der du nicht blind bist, siehst die liebliche Sonne; du, der du den Bruder liebst, bist nicht unbekannt mit dem natürlichen Zuge des Bruderherzens. Du Jüngling kennst, was dir von deinen Altersgenossen zu gute kommt, wie angenehm sie dir das Leben machen. Aber Jenen war Alles verhaßt, Alles zuwider. Ein einziges Gut kannten sie, nämlich Christus. Alles verleugneten sie, um Diesen zu gewinnen. Nicht kurz war die Zeit der Gefangenschaft, und bei den Heiligen wuchs mit der Dauer der Strafe die Begierde nach der Vollendung. Und wie Diejenigen, welche auf leibliches Wohlergehen bedacht sind, nachdem sie bei einem Erzieher hinlängliche Kraft erlangt haben, dann muthig in den Kampf gehen, in gleicher Weise wurden auch Diese, als sie durch die Ketten der Gefangenschaft hinlänglich zur Frömmigkeit erzogen waren, dann zur Siegeskrone in den Kämpfen ausgeführt. Es ist der Verlauf der Rede am Ende oder vielmehr am Gipfel der großen That angekommen. Das war die rechte Zeit, dieß die Tage des Kampfes, dieß die Einleitung des Osterfestes, das Geheimniß der heiligen vierzig Tage. Wir haben vierzig Tage der Versöhnung, ebenso groß ist auch die Zahl der Kronen der Heiligen. Scheine ich euch ein maßloser Schwätzer zu sein, da ich euere Wunder unter euch darlege und euere Ohren mit euerem Eigenthum erfreue?
Damit aber die Rede euch nichts Unvollständiges biete, wollen auch wir in Gemeinschaft mit den Heiligen an das Ende der Rede eilen. Kälte herrschte an jenem Tage, ich brauche euch aber durchaus nicht zu sagen, welche Kälte, da ihr vom heutigen Tage es abnehmen könnt, eine Kälte, die selbst durch die Haare dringt. Ihr versteht die rednerische Übertreibung, sowohl Fremde als auch Eingeborne, und braucht darüber nicht aufgeklärt zu werden. Auch ein Anderer könnte euch die Wundererscheinungen euerer Winter darstellen, wie die sonst stets fließenden Ströme stille stehen, da das Gefrieren ihren Lauf hemmt und die Wellen wie S. 443 zu Stein verhärtet, der benachbarte See aber gewisser Zeichen bedarf, um als See erkannt zu werden, indem er durch das Gefrieren in Festland verwandelt worden ist, auf dem man, wenn man will, oberhalb der Wellen zu reiten pflegt. Ich weiß, daß die Bewohner oft auch mit Feuer Wasser zu Stande bringen, wenn sie irgend ein Stück Wasser abbrechen, es wie z. B. ein Stück Erz oder Eisen im Feuer schmelzen und den Stein zu Wasser machen. So standen die Dinge zur Zeit des Kampfes, während das Übel mehr, als der natürliche Lauf der Dinge es erheischte, durch Nordwinde vergrößert wurde, wie man von Denen hören kann, welche die Wunder erzählen. Da sie unverhohlen den Namen des Herrn öffentlich verkündeten und durch ein solches öffentliches Bekenntniß schon mit der Siegeskrone erschienen und der Vollendung durch den Tod entgegen gingen, wurde folgende Art des Kampfes für sie ersonnen. Es ergeht ein Befehl vom Tyrannen, die Kämpfer mit Kälte zu peinigen. O schwache Worte und Gedanken! Wie weit bleibt die Rede hinter der Sache zurück! Das Urtheil des Todes, Kälte, Qual und Erwartung einer solchen Strafe, und die selige Jugend eilte lachend und munter scherzend an den Ort der Strafe, eilfertig gingen die Kämpfer dem Leiden entgegen in einem heiligen und angestrengten Laufe und voll Wetteifer, die Krone des Bekenntnisses zuerst zu gewinnen! Alle strebten in gleichem Eifer nach dem Siege, Keiner zeigte geringeres Verlangen, sondern Alle begaben sich einmüthig an diesen Platz, gleichwie wenn er damals als öffentlicher Badeort Zutritt gewährt hätte und auch sie durch das Bad ihre Körper hätten pflegen wollen. Bereitwillig legten sie die Kleider ab, welche sie trugen, indem sie insgesammt die Worte Jobs sprachen: „Nackt gingen wir in die Welt, nackt werden wir zu Dem zurückkehren, der uns in dieselbe eingeführt hat.“4 Wir haben Nichts in die Welt mitgebracht und brauchen Nichts S. 444 aus derselben fortzunehmen, oder wir sind vielmehr nackt in dieselbe eingetreten und werden sie wegen des guten Bekenntnisses mit Schätzen bereichert verlassen. Indem sie so sprachen und durch solche Reden sich ermuthigten, gaben sie ihren Körper der Erstarrung preis, und die Natur der Elemente unterlag der Erstarrung, die Natur der Martyrer aber war wie unbezwingbar, oder vielmehr die Natur litt, was ihr eigen ist, und fügte sich in das Schmerzliche, die Hochherzigkeit der Kämpfer aber kämpfte gegen die Natur selbst. Denn die Kraft schwand allmählig, durch die Erstarrung geschwächt und aufgezehrt, die Seelenstärke aber wurde größer. Die körperliche Schönheit wurde verdunkelt und verblühte, und die schöne Farbe des Körpers verwelkte. Die Finger fielen ab, von der Kälte allmählig versengt, alle Glieder und Sinneswerkzeuge wurden durch die heftige Kälte gebrochen. Denn allmählig fiel die Haut vom Fleische, und an den Gliedern aufschwellend und zerreissend fiel dieses von den Knochen und empfand die Schmerzen des Todes, und so rückte der Tod nur allmählig heran und wurde drei Tage lang hinausgedehnt. Denn so lange dauerte ihre Empfindung und blieben sie in der anfänglichen Stellung und in Allem Sieger gegen den Widersacher. Aber wer möchte wohl nach Gebühr das Folgende schildern? Welche Rede wird jenen göttlichen Festzug beschreiben, als die heiligen Leiber auf Wägen zum Feuer geführt wurden, wie an die Stelle Desjenigen, der vom Teufel zum Abfall gebracht worden war, von der Gnade zur Ergänzung der Zahl der Gefängnißwärter gesetzt wurde?
