1.
Wäre doch der Mensch im Besitze der Ehre geblieben, die er bei Gott hatte, dann hätte er keine eingebildete, sondern eine wahre Erhabenheit gehabt, wäre durch Gottes Macht geadelt, durch göttliche Weisheit erleuchtet, mit dem ewigen Leben und dessen Gütern beglückt gewesen. Doch wie ihn nach anderer als nach göttlicher Ehre gelüstete — in der Erwartung einer größeren und mit dem Anspruche, etwas zu bekommen, was er nicht bekommen konnte —, da verlor er, was er haben konnte. Das größte Glück für ihn, die Heilung von seiner Krankheit und die Rückkehr zum ursprünglichen Zustand, liegt in der Demut begründet und darin, daß er sich nicht irgendeine Ruhmesherrlichkeit aus eigenem Vermögen träumen läßt, sondern solche von Gott erbittet. So wird er den Fehler wieder gutmachen, so die Krankheit heilen, so zum hl. Gebote, das er verlassen, zurückkehren.
Allein der Teufel, der den Menschen durch die Hoffnung auf falschen Ruhm gestürzt hat, ruht nicht, ihn mit denselben Lockungen zu reizen und zu diesem Zwecke tausend Ränke zu ersinnen. Als etwas Großes hält er ihm den Besitz von Reichtum vor, damit er darauf stolz werde und darum sich bemühe. Freilich dient das nicht zur Ehre, bringt nur große Gefahr. Erwerb von Schätzen ist Gegenstand der Habsucht; doch ihr Besitz trägt keineswegs zum guten Namen bei, führt vielmehr zu törichter Verblendung, eitler Selbstüberhebung und verursacht in der Seele eine Krankheit, die einer Entzündung ähnlich ist. Denn die Geschwulst der entzündeten Körperteile ist nicht gesund noch nützlich, sondern eine Krankheitserscheinung, schädlich, der Anfang einer Gefahr und Ursache des Endes. Etwas Ähnliches ist es um den Hochmut der Seele.
S. 332 Nicht bloß auf Reichtum ist man stolz, nicht bloß mit prunkender Lebensart und Kleidung, die der Reichtum erlaubt, prahlen die Menschen — sie leisten sich nämlich unnötig kostspielige, luxuriöse Mahlzeiten, machen unnötigen Kleideraufwand, bauen mächtige Häuser und schmücken sie herrlich aus, halten viele Diener und schleppen Scharen zahlloser Schmeichler nach sich —, sondern sie fühlen sie auch ungemein wegen der Würden, zu denen sie berufen worden. Wenn das Volk ihnen ein Amt verleiht oder sie mit einem Vorsitze beehrt oder für sie eine ganz besondere Auszeichnung beschließt, dann glauben sie dadurch über die menschliche Natur hinauszuragen, fast auf den Wolken zu thronen, halten ihre Untergebenen für eine Art Fußschemel, erheben sich gegen die, welche ihnen die Würde gegeben haben und lassen die ihren Übermut fühlen, denen sie ihren Scheinglanz danken. Freilich ist das ein höchst törichtes Handeln; denn ihre Ehre ist nichtiger als ein Traum, und der Glanz, der sie umgibt, ist eitler als nächtliche Erscheinungen, da er ja mit einem Winke des Volkes da ist und auf einen Wink hin verschwindet. Ein Beispiel solcher Torheit war jener Sohn Salomons, der, jung an Alter und noch jünger an Verstand, das Volk, das eine mildere Regierung verlangte, mit einer härteren bedrohte und durch seine Drohung das Reich verlor, also eben durch die Drohung seiner Würde verlustig ging, kraft der er königlicher zu erscheinen hoffte1. — Übermütig macht den Menschen ferner die Stärke seiner Hände, die Schnelligkeit der Füße, des Körpers Schönheit, lauter Dinge, die von Krankheiten verzehrt und vom Zahn der Zeit zerstört werden, und er merkt nicht, daß „alles Fleisch Gras ist und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume; das Gras verdorrt, und die Blume fällt ab2.“ Dergleichen Prahlereien waren die der Riesen mit ihrer Stärke3, der gegen Gott ankämpfende Hochmut des törichten Goliath4; solche Prahler waren S. 333 der auf seine Schönheit stolze Adonias5 und der auf sein langes Haar stolze Absalom6.
