4.
Die uns verliehene Gnade der Gesundheit, mag sie durch Wein und Öl, wie bei Demjenigen, der unter die Räuber gefallen war, oder durch Feigen, wie bei Ezechias, herbeigeführt worden sein, nehmen wir dankbar an. Auch machen wir keinen Unterschied, ob Gott durch ein verborgenes oder sinnfälliges Mittel sich unser annimmt, obgleich die letzteren uns oft wirksamer zur Erkenntniß der Gnade des Herrn führen. Oft fallen wir aber auch der Züchtigung wegen in Krankheiten und sind der Zurechtweisung wegen dazu verurtheilt, eine schmerzliche Heilung zu erdulden; daher denn die rechte Vernunft weder schneiden noch brennen, weder die Schmerzen scharfer und beschwerlicher Arzneien noch Hunger, weder eine genaue vorgeschriebene Diät noch die Enthaltsamkeit von schädlichen Dingen zu verschmähen räth; dabei bleibt der Zweck, ich wiederhole S. 159 es, der Seele zu nützen bestehen, daß sie nach diesem Beispiele ihre eigene Heilung bewerkstelligen soll. Es ist aber die Gefahr nicht gering, auf den irrigen Gedanken zu verfallen, jede Krankheit bedürfe der ärztlichen Hilfe. Denn nicht alle Krankheiten entstehen aus der Natur, aus einer fehlerhaften Lebensweise oder anderen körperlichen Ursachen, gegen welche, wie wir sehen, hin und wieder die Heilkunde nützlich ist. Oft sind auch die Krankheiten Strafen für die Sünden und sind der Besserung wegen verhängt. „Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er.“1 Ferner: „Darum sind unter euch viele Kranke und Schwache und schlafen Viele. Denn wenn wir uns selbst richteten, so würden wir nicht gerichtet werden. Wenn wir aber gerichtet werden von dem Herrn, so werden wir gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verdammt werden.“2 Solche nun müssen stillschweigend und auf die ärztliche Hilfe verzichtend die über sie verhängten Leiden mit Geduld ertragen, sobald wir unsere Fehler erkennen, wie Jener, der da sagt: „Den Zorn des Herrn will ich tragen, denn ich sündigte wider ihn,“3 und dadurch, daß sie würdige Früchte der Buße bringen, Besserung zeigen und des Herrn gedenken, der da sagt : „Siehe du bist gesund geworden, sündige nun nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres begegne.“4 Es treten aber auch manchmal Krankheiten auf Begehren des bösen Feindes ein, wenn nämlich der gütige Herr Jemanden als großen Kämpfer mit ihm in einen Kampf stellt und seine Prahlerei durch die überaus große Geduld seiner Diener zu Schanden macht, was, wie wir uns erinnern, bei Job geschehen ist. Oder es werden auch von Gott den im Leiden Ungeduldigen Einige zum Muster vorgestellt, welche die Widerwärtigkeiten standhaft bis zum Tode auszuhalten im Stande waren; so Lazarus, der, wie sehr er von Geschwüren bedeckt war, doch niemals, wie geschrieben steht, weder den Reichen um Etwas S. 160 bat noch über seinen Zustand murrte. Deßhalb erlangt er auch die Ruhe in Abrahams Schooße, weil er in seinem Leben das Böse empfangen hatte. Wir finden aber auch noch, daß Heilige aus einer anderen Ursache von Krankheiten befallen werden, wie z. B. der Apostel. Denn damit es nicht den Anschein hätte, als überschreite er die Grenze der menschlichen Natur, und man dächte, er sei von der Natur besser ausgestattet, wie die Lykaonier meinten, die ihm Kränze und Stiere brachten,5 war er, damit seine menschliche Natur sich zeigte, beständig krank.
