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Was aber sollte ich das Wunderbare dieser (Pflanzen-) Schöpfung ausmalen und einen förmlichen Beweis für die schöpferische Weisheit liefern? Hier bietet sich im Anblick der Knospen, dort im Wachstum des jungen Grünes ein Bild des menschlichen Lebens, begegnet dem Auge ein charakteristischer Zug unserer Natur und Beschaffenheit und strahlt deren Spiegelbild wider. Dieses Grases Grün und Blume ist ein Sinnbild des menschlichen Fleisches, wie es der treue Dolmetsch der Gottheit mit seinem Stimmorgan ausdrücklich versicherte: „Rufe! Was soll ich rufen? Alles Fleisch ist Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blume. Es verdorrt das Gras, und die Blume fällt ab, das Wort des Herrn aber währt in Ewigkeit“1. Gottes Urteil spricht aus des Menschen Stimme. Gott spricht: „rufe“, doch er spricht es in Isaias [Jesaja]. Dieser nun erwiderte: „Was soll ich rufen?“ Und als hätte er vernommen, was er sprechen sollte, fügte er bei: „Alles Fleisch ist Gras“. Und so ist es. Wie Gras blüht die Herrlichkeit des Menschen im Fleische auf und ist, so erhaben sie einem dünkt, nichtig wie junges Grün. Früh S. 95 reif wie die Blume, vergänglich wie das Gras, entfaltet sie wohl äußerlich blühenden Reiz, doch an Frucht keinen dauernden Ertrag; des heiteren Lebens Blüte, duftet sie frohe Anmut, um nur allzu bald dahinzuwelken wie des Grases Grün, „das verdorrt, ehe man es ausrauft“2. Wo ist denn die Kraft im Leibe, wo die Gesundheit, die von Dauer sein könnte?
