58.
Möchten die Menschen aus dem Verhalten und der Elternliebe der Krähen Liebe zu ihren Kindern lernen! Folgen doch jene sogar noch den flügge gewordenen Jungen mit achtsamem Geleite und tragen den zarten Lieblingen in ängstlicher Sorge, sie möchten sonst etwa umkommen, Nahrung zu und lassen lange nicht vom Liebesdienst der Aufnährung. Hingegen entwöhnen bei unserem [Menschen] Geschlechte die Frauen so rasch ihre Kinder, selbst Lieblinge, oder verschmähen es wenn sie den reicheren Klassen angehören, ihnen die Brust zu reichen. Ärmere verstoßen ihre Kleinen, setzten sie aus und verleugnen Findelkinder. Selbst auch Reiche töten, damit ihr Vermögen sich nicht auf zu viele verteile, die eigene Leibesfrucht im Schoße, führen durch fruchtabtreibende Säfte schon im Mutterschoße den Tod der eigenen leiblichen Kinder herbei: man nimmt ihnen das Leben, bevor man es ihnen gibt. S. 213 Wer außer dem Menschen wäre auf den Gedanken gekommen, ein Kind zu verstoßen? Wer hätte die so grausamen Vaterrechte erfunden? Wer hätte jene, um welche die Natur ein gemeinsames Bruderband geschlungen, zu unebenbürtigen Brüders gemacht? Söhne vom gleichen reichen Vater stammend trifft ein ungleiches Los: der eine wird mit dem ganzen väterlichen Vermögen, das ihm zugeschriebnen wird, förmlich überschüttet, der andere muß über seinen mageren, dürftigen Anteil am reichen väterlichen Erbe klagen. Hat etwa auch die Natur einen Unterschied gemacht in der Ausstattung, die den Kindern gebührt? Gleichmäßig spendet sie allen, was ihnen als Voraussetzung zur Geburt und zum Leben dienlich sein kann. Sie lehre euch jene, welche ihr mit dem Brudernamen gleichstellt, in Vermögenssachen nicht ungleich zu behandeln! Ihnen, denen ihr es gegeben habt, daß sie gemeinsam sind, was sie von Geburt sind, dürft ihr doch nicht mißgönnen, daß sie auch gemeinsam haben, in was sie von Natur eingesetzt sind.
