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Eine neue Art des Martyriums. Noch war sie der Marter unzugänglich und schon reif zur sieghaften Ertragung derselben: zur Kampfesarbeit untauglich, doch tauglich für die Siegeskrone: im Vollsinn des Wortes eine Lehrmeisterin der Tugend, ob auch das Alter dem entgegenstand. So wäre keine Vermählte ins Brautgemach geeilt, wie die Jungfrau freudigen Schrittes, eilenden Fußes zur Richtstätte voranschritt, nicht mit künstlichem Haarschmuck das Haupt geziert, sondern mit Christus, nicht mit Blumen bekränzt, sondern mit Tugenden. Alles weint, ihr kommt keine Träne ins Auge. So viele wundern sich, daß sie so leicht ihr Leben dahingibt, als hätte sie es schon durchgekostet, nachdem sie kaum noch daran genippt hatte. Alles staunt, daß sie bereits als Zeugin für Gott eintritt, nachdem sie ob ihres Alters noch nicht ihre eigene Sache vertreten konnte1. So bewirkte sie denn, daß sie von S. 316 Gott zur Beglaubigung zugelassen ward, während sie menschlicherseits noch nicht zugelassen wurde. Denn was die Grenze der Natur überschreitet, leitet sich vom Schöpfer der Natur her.
Erst unter Justinian wurde das vollendete zwölfte Jahr der gesetzliche Termin des Eintrittes der Mündigkeit für die Mädchen; vorher war die gesetzliche Bestimmung schwankend. Bis auf Diokletian – das Martyrium der hl. Agnes fällt bereits unter Dezius oder noch früher (vgl. Gulik) – bestand übrigens ohne Rücksicht auf die Mündigkeit für alle Frauen, die nicht der Gewalt des Vaters oder des Ehemannes unterstellt waren, eine Vormundschaft zu Recht. ↩
