b) Bruchstücke des von Pelagius an Innocentius gesandten Glaubensbekenntnisses und Schreibens, welche Coustant1 aus den Schriften des hl. Augustinus sammelte.
1. Zunächst sagt Pelagius, wie Augustinus2 bezeugt : Folgendes seien die Puncte, wegen welcher man ihn beschimpfe: einmal, daß er den Kindern das Sacrament der Taufe versage und Einigen ohne die Erlösung Christi S. 200 das Himmelreich verspreche; zweitens, er behaupte derart, der Mensch könne die Sünde vermeiden, daß er die Hilfe Gottes ausschließe, und baue so sehr auf den freien Willen, daß er den Beistand der Gnade verschmähe.
2. Augustinus fährt dann fort: Nachdem er diesem mißgünstige Klagen über seine Gegner beigefügt, geht er also zur Sache über:3 Sieh‘, dieser Brief möge mich bei deiner Heiligkeit rechtfertigen, in welchem wir rein und einfach sagen, daß wir zum Sündigen und Nicht Sündigen einen vollständig freien Willen haben, welcher bei allen guten Werken immer durch die göttliche Hilfe unterstützt wird.
3. Hernach, sagt Augustinus, nachdem er über den Zustand des Menschen und über seine natürliche Fähigkeit zum Sündigen und Nicht-Sündigen Einiges eingeschaltet, fügte er hinzu:4 Diese Kraft des freien Willens, sagen wir, ist in Allen überhaupt, in den Christen, in den Juden und Heiden. In Allen ist der freie Wille gleichmäßig durch die Natur, aber in den Christen allein wird er von der Gnade unterstützt. In Jenen ist das Gute des (Natur-)Zustandes nackt und waffenlos, in denen aber, welche Christus angehören, wird es durch Christi Beistand geschützt. Jene also müssen gerichtet und verdammt werden, weil sie, obschon im Besitze des freien Willens, durch welchen sie zum Glauben gelangen und Gottes Gnade verdienen5 könnten, die ihnen gewährte Freiheit schlecht gebrauchen. Diese aber müssen belohnt werden, da sie durch den Gebrauch des freien Willens die Gnade des Herrn verdienen und seine Gebote beobachten. S. 201
4. Er fordert ferner seine Gegner zum Lesen der seit Langem von ihm verfaßten Bücher auf mit folgenden Worten:6 Sie sollen jenen Brief7 lesen, welchen wir an den hl. Bischof Paulinus vor ungefähr 12 Jahren geschrieben, welcher in vielleicht 300 Versen nichts Anderes als die Gnade und Hilfe Gottes bekennt, und daß wir ohne Gott gar nichts Gutes verrichten können. Sie mögen8 auch den Brief9 an den hl. Bischof Constantius lesen, wo ich mit kurzen, aber doch deutlichen Worten mit dem freien Willen des Menschen die Gnade und Hilfe Gottes verbunden habe. Auch10 den sollen sie lesen, welchen wir an die hl. Jungfrau Christi, Demetrias11 geschrieben, und sie werden finden, daß wir die Natur des Menschen so loben, daß wir den Beistand der göttlichen Gnade stets hinzufügen. Sie mögen12 auch mein neues Werkchen13 lesen, welches wir unlängst für den freien Will- S. 202 len veröffentlichen mußten, und sie werden erkennen, wie ungerecht sie uns mit der Leugnung der Gnade zu beschimpfen suchten, da wir fast durch den ganzen Inhalt des Werkes vollkommen und unversehrt sowohl den freien Willen als auch die Gnade bekennen.
5. Überdieß, sagt endlich Augustinus14 beklagte sich Pelagius in jenem Schreiben: Daß er von den Leuten beschuldiget werde, daß er den Kindern das Sacrament der Taufe versage und ohne die Erlösung Christi Einigen das Himmelreich verspreche.15 Und nachdem er gesagt, daß er niemals einen so gottlosen Häretiker gehört habe, welcher Dieß von den Kindern sagte, fügte er bei: Denn wer is tdenn des Evangeliums so unkundig, daß er Dieß nicht nur zu behaupten wagen, sondern auch nur leichthin sagen oder denken könnte? Wer ist ferner so gottlos, daß er die Kleinen vom Himmelreich ausschließen wollte, indem er ihnen die Taufe und Wiedergeburt in Christus verbietet16 und Demjenigen verbietet, zu einem ewigen und gewissen Leben wiedergeboren zu werden, welcher zu einem ungewissen geboren sei?17 S. 203
p. 916 ↩
Lib. de gratia Christi c. 30. ↩
Ibid. c. 31. ↩
Ibid. ↩
Hiezu bemerkt Augustinus: Es ist klar, daß er, er mag nun unter Genade was immer verstehen, sagt, sie werde nach den Verdiensten gegeben. ↩
Ibid. c. 35. ↩
Dazu sagt Augustinus: ich habe diesen gelesen und gefunden, daß er fast nur von der natürlien Anlage und Fähigkeit rede und in diese fast allein die Gnade Gottes lege; die christliche Gnade aber fertigt er so kurz ab, daß es scheint, er habe nichts Anderes besorgt, als sie zu verschweigen. ↩
Ibid. c. 36. ↩
Diesen gesteht Angnstinus nicht gefunden zu haben und sagt: Wenn er den übrigen nicht unähnlich ist, so enthält auch er das Gesuchte nicht. ↩
Ibid. c. 37. ↩
Augustinus sagt, er habe denselben gelesen und beinahe schon gegIaubt, es sei hier von der Gnade im fraglichen Sinne die Rede; allein nachdem er die späteren und ausführlicheren Werke des Pelagius gesehen, habe er erkannt, daß dieser auch dort unter zweideutigen, allgemeinen Worten seinen Irrthum verbergen und nur, um den allgerneinen UnwilIen zu vermeiden, sich des Wortes „Gnade“ bedienen konnte. ↩
Ibid. c. 41. ↩
Über dieses Werk des PeIagius in 4 Büchern äussert sich Augustinus ebenso wie über den in der vorhergehenden Note besprochenen Brief. ↩
Lib. de pecc. orig. n. 19, 20, 21. ↩
Hiezu sagt Augustinus a. a. O.: Nicht das wirft man ihnen vor, was er hier angiebt, sondern daß sie nicht bekennen wollen, daß die noch nicht getauften Kinder der Verdammung des ersten Menschen unterliegen. ↩
Diese Worte konnten, bezeugt Augustinus, auf den ersten BIick auch ihn täuschen, als ob sie die rechte Lehre enthielten; doch seien auch sie ihm, wenn er sie mit den ausführlicheren Erläuterungen an anderen Stellen verglichen, verdächtig geworden. ↩
Dieser letzte räthseIhafte Satz, dessen Sinn Augustinus vergebens zu erforschen suchte, ist nur zur Umkleidnng der Häresie gemacht. ↩
