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Auf alle Zeiten erstreckt sich also, Geliebteste, wie klar zutage tritt, die vorbildliche Bedeutung der mystischen Begebenheiten, und was mit einem Symbol begonnen wird, geht tatsächlich in Erfüllung: Als durch Gottes Gnade der Stern am Himmel erstrahlte, wurden die drei Weisen durch den Lichtglanz des auf die frohe Botschaft hinweisenden Gestirnes zur Krippe gerufen, und noch jetzt eilen sie in all den Heidenvölkern tagtäglich herbei, um die Macht des höchsten Königs anzubeten. Auch Herodes knirscht noch heutzutage in der Person des Satans und klagt darüber, daß die Herrschaft seiner Bosheit bei denen zu Ende sei, die zu Christus übergehen. Darum vermeint er auch, Jesus selbst zu töten, wenn er die Kleinen ums Leben brächte. Dies ist aber doch wirklich das Ziel, das er unablässig verfolgt, indem er die kaum Wiedergeborenen des Heiligen Geistes zu berauben und die sozusagen im zarten Glaubensalter Stehenden gleichwie jene Kinder zu vertilgen trachtet. Die Juden aber, die außerhalb des Reiches Christi bleiben wollten, befinden sich gewissermaßen noch in unseren Tagen unter der Botmäßigkeit des Herodes. Und wenn über sie der Feind des Erlösers die Herrschaft führt, so dienen sie also einem fremden Machthaber, gleich als ob sie nichts von jenem prophetischen Ausspruch Jakobs wüßten: „Der Führer wird nicht von Juda weichen und der Heerführer nicht von seinen Lenden, bis der kommt, dem1 hinterlegt sind, auf den die Völker warten“2 . Allein S. 170sie erkennen noch nicht, was sie doch nicht zu leugnen vermögen. Sie erfassen nicht mit ihrem Verstande, was sie aus den Worten der Heiligen Schrift gelernt haben. Ist doch für ihre törichten Rabbis die Wahrheit ein Ärgernis, wird doch für ihre verblendeten Schriftgelehrten das Licht zur Finsternis. Sie geben also den3 Bescheid, daß Christus in Bethlehem geboren wird4 , ziehen aber keine Folgerung aus ihrer Kenntnis, mit der sie anderen dienen. So sind sie denn ihres Herrschergeschlechtes, ihrer Sühnopfer, ihrer Kultstätte und ihres Priesterstandes verlustig gegangen. Und obwohl sie aus eigener Erfahrung wissen, daß für sie dies alles gesperrt, dies alles zu Ende ist, wollen sie doch nicht einsehen, daß es auf Christus überging. Was also jene drei Männer, welche die Stelle aller heidnischen Nationen vertreten, durch die Anbetung des Herrn erreicht haben, das wird durch den Glauben , der die Gottlosen rechtfertigt,5 , den Völkern der ganzen Welt zuteil. Das vor aller Zeit bereitete Erbteil des Herrn fällt den an Kindes Statt angenommenen zu und entgeht denen, welche die rechtmäßigen Erben zu sein schienen. Komm doch endlich zur Einsicht, Jude, komme zur Einsicht! Lege deine Ungläubigkeit ab und wende dich dem Erlöser zu, der auch der deinige ist! Laß dich nicht durch die Ungeheuerlichkeit deines Verbrechens davon abschrecken! Christus richtet seinen Ruf nicht an die Gerechten, sondern an die Sünder6 . Auch stößt dich der nicht wegen deiner Gottlosigkeit von sich, der für dich am Kreuze betete7 . Mach dich frei von jenem grausamen Urteilsspruche deiner unmenschlichen Väter! Laß dich nicht verstricken in ihre Verwünschungen, die sie gegen Christus ausstießen, als sie riefen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“8 wodurch sie dich S. 171zum Mitschuldigen ihres Verbrechens machten! Kehret zurück zu dem, der die Barmherzigkeit selber ist! Wendet euch an die Milde dessen, der Verzeihung gewährt! Brachte ja gerade euere ungerechte Grausamkeit die Erlösung. Er, den ihr verderben wolltet, lebt. Bekennt euch also zu dem, den ihr verleugnet habt, und betet jenen an, den ihr verkauftet, auf daß für euch die Güte dessen nutzbringend werde, dem euere Bosheit nicht zu schaden vermochte!
