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Geliebteste! Die Hingebung, die ihr gewöhnlich1 zeigt, kommt meiner Predigt sehr zustatten. Auch die Rücksicht auf die Zeit legt mir meine Pflicht als Priester nahe, damit euch nicht das, was das Gebot verlangt und freudige Unterordnung leichter macht, lästig oder schwer erscheint. Wirkt mit Gottes Hilfe dies alles2 zusammen, dann "tötet uns nicht der Buchstabe, sondern macht uns der Geist lebendig"3 . "Wo aber der Geist des Herrn lebendig ist, da ist4 Freiheit"5 , die ein Gesetz nicht aus Furcht erfüllt, sondern aus Liebe. Gehorsam mildert jeden Befehl. Wo man gerne tut, was geboten wird, empfindet man nicht die Last des Zwanges. Wenn wir euch nun, Geliebteste, auch dazu auffordern, manches auf euch zu nehmen, was auch im Alten Bunde angeordnet wurde, so legen wir euch damit doch kein jüdisches Gesetz auf. Auch wollen wir damit nicht, daß ihr euch einen Brauch des "fleischlich gesinnten Volkes" zu eigen macht. Das Fasten der Christen steht weit über dem der S. 457Juden. Wenn auch manche unserer Einrichtungen hinsichtlich der Zeit mit den ihrigen übereinstimmen, so ist doch ihr Wesen ein ganz anderes. Mögen sie nun ,ihr "BarfüßerFasten behalten und in ihren finsteren Mienen ihre müßige Enthaltsamkeit zur Schau tragen, wir wollen in nichts unser sonstiges ehrbares Auftreten ändern! Ebensowenig wollen wir uns den durch die Pflicht gebotenen oder notwendigen Verrichtungen entziehen! Unsere Absicht ist nur die, durch ein einfaches Fasten die Lust des Gaumens einzudämmen, so daß wir uns zwar eine Beschränkung der Speisen auferlegen, nicht aber die Gottesgabe selbst verdammen.
