2.
S. 478Wenn wir, Geliebteste, ein richtiges und geistiges Fasten halten wollen, das durch seine reinigende Kraft Leib und Seele heiligt, dann müssen wir die geheimen Falten unseres Herzens durchforschen und unparteiisch prüfen, was uns betrübt und woran wir unsere Freude haben. Und wenn sich dort eine Ruhmliebe, irgendein Keim der Habsucht oder das giftige Kraut des Neides finden, so möge sich unsere Seele von solcher Kost fernhalten und aus Verlangen nach den edlen Speisen der Tugenden lieber nach himmlischer Nahrung als nach irdischen Genüssen trachten! Der Mensch sei sich seiner edlen Abstammung bewußt und denke daran, daß er das Ebenbild1 seines Schöpfers ist! Und wegen des Elends, das durch die schwere, auf alle übergegangene Erbsünde über ihn gekommen ist2 , sei er nicht so verzagt, daß er sich nicht zu seinem barmherzigen Erlöser aufraffen könnte! Sagt dieser ja selbst: „Seid heilig, weil ich heilig bin!“3 . Das heißt: Wählet mich und enthaltet euch von dem, was mir mißfällt! Tut, was ich liebe, und liebet, was ich tue! Und wenn euch mein Gebot schwer erscheint, so nehmet euere Zuflucht zu den, der es euch auferlegt, damit euch der hilft, der euch den Befehl erteilt! Ich habe euch den guten Willen gegeben und werde darum auch nicht mit meinem Beistand zurückhalten. Weist von euch, was mir zuwider ist, und entsagt allem, was nicht zu mir paßt! Ich bin euere Speise und euer Trank. Niemand strebt ohne Erfolg nach dem, was mein ist; denn jeder, der zu mir zu gelangen trachtet, sucht mich, weil ich schon in ihm bin.
