Zweites Hauptstück.
Deine ausgezeichnete und bewunderungswürdige Weisheit sieht wohl selbst ein, daß es sich nicht gezieme, daß es nicht erlaubt sey, Menschen, welche nicht wollen und sich dagegen sträuben, zu zwingen und zu nöthigen, daß sie sich, durch Gewalt unterdrückt, denen unterwerfen und hingeben, welche nicht aufhören, den verdorbenen Samen einer falschen Lehre auszustreuen. Dieß ist der Zweck, welchen ihr bei euern Bemühungen, und bei euerer Leitung des Staates nach heilsamen Entwürfen vor Augen habt, welchen ihr durch euere Wachsamkeit bei Tag und bei Nacht zu erreichen strebet, daß Allen, über welche ihr gebietet, der süße Genuß der Freiheit zu Theil werden möchte. Auf keine andere Weise kann das, was in Verwirrung gerathen ist, in Ordnung gebracht, und das, was auseinander gerissen ist, zusammengehalten werden; als wenn ein Jeder, durch keinen Zwang der Knechtschaft gebunden, völlige Freiheit zu leben hat. Gewiß muß die Stimme derjenigen von deiner Leutseligkeit erhört werden, welche laut rufend „Ich bin ein Ka- S. 268 tholik, ich will kein Ketzer seyn; ich bin ein Christ, kein Arianer: und es ist besser für mich, in dieser Welt zu sterben, als durch die gebietende Macht irgend eines Privaten zur Verletzung der keuschen Jungfrauschaft der Wahrheit mich verleiten zu lassen.“ Und es muß deiner Gewissenhaftigkeit, ruhmvollster Augustus! billig dünken, daß diejenigen, welche Gott den Herrn und das göttliche Gericht fürchten, nicht durch verabscheuungswerthe Lästerungen sich beflecken oder verunreinigen, sondern die Freiheit haben, jenen Bischöfen und geistlichen Vorgesetzten zu folgen, welche theils die Bande der Liebe unverletzt bewahren, theils fortwährenden und ungetrübten Frieden haben wollen. Denn es ist theils unmöglich, theils läßt es die Vernunft nicht zu, daß Widerstreitendes in Eintracht stehe, Ungleiches vereint, Wahres und Falsches mit einander vermischt, Licht und Finsterniß verbunden werde, dann auch Tag und Nacht irgend eine Verbindung haben. Wenn also, was wir ohne Bedenklichkeit hoffen und glauben, dieses deine dir nicht beigebrachte, sondern angeborne Güte rühret; so erlasse den Befehl, daß die Beamten der Orte nicht ihre Neigung, ihre Gunst und ihre Gnade den uns höchst lästigen Ketzern schenken sollen. Deine Milde erlaube den Völkern, diejenigen Lehrer, welche sie wünschen, welche sie für gut halten, welche sie auserwählen, anzuhören, der Feier der göttlichen Geheimnisse beizuwohnen, und für deine Erhaltung und Glückseligkeit Gebete darzubringen.
