4. Er bringt aus dem Apostel Paulus Beweise für dieselbe Lehre vor.
Um nun aber diese Dinge zu übergehen, die doch nicht dargestellt werden können, weil die Aufzählung seiner Wohlthaten ebenso wenig eine Grenze hätte als diese selbst, so ist es nun Zeit, den kräftigsten und klarsten Zeugen über ihn zu befragen, nemlich den Apostel Paulus; denn am treuesten kann uns Derjenige Alles von Gott sagen, aus dessen Brust Gott immer geredet hat. Er leistet also in folgender Weise Zeugschaft für die Gnade und Ankunft des Herrn unseres Gottes, er, der da gesendet war zur Vertilgung des Irrthums heidnischen Aberglaubens als auserwählter Lehrer der Völker:1 „Es erschien“, sagt er, „die Gnade Gottes unseres Erlösers, allen Menschen und lehrte uns, daß wir aufgeben sollen die Gottlosigkeit und die irdischen Begierden und nüchtern, fromm und gerecht leben in dieser Welt, voll Erwartung auf die selige Hoffnung und Ankunft der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi.“ Es erschien, sagt er, die Gnade Gottes unseres Erlösers. Ein gar passendes Wort hat er gebraucht, um den Eintritt einer neuen Gnade und Zeugung zu bezeichnen. Denn indem er sagt: „es erschien,“ drückt er den Ursprung der neuen Gnade und Geburt aus, weil das Geschenk der neuen Gnade gerade von da an zu erscheinen begann, als Gott in der Welt geboren erschien. So zeigt S. 459 er also in würdiger und passender Eigenthümlichkeit des Wortes dieses Licht der neuen Gnade an, indem er gleichsam mit dem Finger darauf hinweist. Denn mit Recht sagt man, daß Etwas erscheine, was gleichsam mit plötzlichem Lichte aufgeht und sich zeigt, wie wir ja in den Evangelien lesen, daß den orientalischen Magiern ein Stern erschienen sei, und wie es im Exodus heißt:2 „Es erschien dem Moses ein Engel3 im Feuer des flammenden Dornbusches.“ Denn in all diesen und andern heiligen Visionen glaubte die Schrift am ehesten dieses Wort anwenden zu sollen, so daß sie also von dem das „Erscheinen“ aussagte, was in unverhoffter Klarheit leuchtete. Da also der Apostel die Ankunft der himmlischen Gnade, welche mit dem Eintritte der hl. Geburt erschien, kannte, bezeichnete er sie mit dem Ausdrucke einer glänzenden Erscheinung, so daß er schlechthin „erschienen“ nannte, was mit dem Glanze eines neuen Lichtes aufstrahlte. Es erschien also die Gnade Gottes, unseres Erlösers. Kannst du hier vielleicht Etwas vorbringen wie von Zweideutigkeit der Worte, so daß du sagst: „Etwas Anderes sei Christus, etwas Anderes Gott,“ oder daß du dem Heiland die Majestät seines Namens nimmst und den Herrn von der Gottheit trennst? Siehe, hier spricht ein Mann Gottes aus Gott und bezeugt in klarster Verkündung, daß aus Maria die Gnade Gottes erschienen sei. Und damit du nicht etwa sagen könnest, Gott sei nicht aus Maria erschienen, so fügt er sogleich die Bezeichnung „Heiland“ hinzu, damit du nemlich glaubest, daß Jener aus Maria als Gott geboren sei, von welchem du nicht läugnen kannst, daß er als Heiland geboren sei, nach jener Stelle: „Denn es ist euch heute der Heiland geboren worden.“ O du wunderbarer und wahrhaft von Gott den Völkern geschenkter Lehrer! Du kanntest den S. 460 künftigen Wahnsinn häretischer Verkehrtheit, der die Bezeichnungen Gottes zum Gegenstande des Streites macht und sich nicht scheut, Gott zu lästern wegen seiner Namen. Darum hast du den Namen Gottes vorausgeschickt, damit der Häretiker die Benennung „Heiland“ nicht von der Gottheit trenne, und damit so der vorausgeschickte Name Gottes alle folgenden Namen zu den seinigen mache, Niemand aber glaube, jener Christus der folgenden sei ein bloßer Mensch, da er doch gleich in der ersten Bezeichnung gelernt hatte, daß derselbe Gott sei. „Voll Erwartung“, sagt derselbe Apostel, „auf die selige Hoffnung und die Ankunft der Herrlichkeit unsers großen Gottes und Heilandes Jesu Christi.“ Wahrhaftig dieser Lehrer der göttlichen Weisheit sah, daß für die hinterlistigen Ränke teuflischer Verblendung die einfache Lehre nicht hinreichend sei, wenn er nicht die heilige Predigt des Glaubens mit dem Schutze der Vorsicht ausrüste. Wie er also oben die Bezeichnung „Gottes und Heilandes“ hingesetzt hatte, so fügt er hier bei „Jesu Christi“, damit du nicht etwa ungläubig hierüber sein mögest, daß zur Bezeichnung des Herrn Jesu Christi der Name Heiland dir hinreiche, und damit du nicht ohne die Einsicht bleibest, daß ebenderselbe Christus Gott sei, von welchem du erkanntest, daß er der Gott = Erlöser sei. Was sagt er also? In Erwartung, sagt er, der seligen Hoffnung und der Ankunft der Herrlichkeit unsers großen Gottes und Heilandes Jesu Christi. Da fehlt Nichts von den Namen unsers Herrn; du siehst hier den Gott und den Heiland, den Jesus und Christus; aber indem du all Dieß siehst, erkennst du auch, daß Alles im Gotte sei; denn du hörst von einem Gotte, aber er ist Erlöser; du hörst von einem Gotte, aber er ist Jesus; du hörst von einem Gotte, aber er ist Christus. Was nun die Gottheit als Einheit sich verbunden hat, das kann durch die Verschiedenheit der Namen nicht getrennt werden. Wie du nun auch hierüber untersuchen magst, du wirst das Gleiche finden. Der Erlöser ist Gott, Jesus ist Gott, Christus ist Gott; Alles, was du hier hörst, ist vielfach dem Namen nach, aber Eines S. 461 in der Bedeutung; denn wenn der Erlöser Gott ist und Jesus Gott und Christus Gott, so kann man offenbar sehen, daß all Dieß unterschieden wird in der Benennung, aber verbunden in der Majestät. Und wenn du so deutlich hörst, daß in Jedem der eine Gott bezeichnet wird, so kannst du doch klar einsehen, daß in Allen der eine Gott ist, und so ist es dir also nicht erlaubt, in der Verschiedenheit der Namen des Herrn auch eine Ungleichheit der Macht zu suchen und wegen der wechselnden Benennung auch einen Unterschied in der Person zu machen. Es ist nicht erlaubt, zu sagen: „Christus ist aus Maria geboren worden und nicht Gott,“ denn der Apostel verkündet: „Gott“ (ist geboren etc.). Es ist nicht erlaubt, zu sagen: „Jesus ist aus Maria geboren worden, nicht Gott;“ denn der Apostel bezeugt: „Gott.“ Es ist nicht erlaubt, zu sagen: „Ein Erlöser ist geboren worden, nicht Gott“ — denn der Apostel bestätigt: „Gott.“ Es gibt keinen Ausweg für dich; welche von den Bezeichnungen des Herrn du immer hernimmst, es ist Gott, was du genannt hast. Es gibt Nichts, was du sagen, Nichts, was du beibringen, Nichts, was du mit ruchloser Falschheit erdichten könntest. Du kannst in deinem gottlosen Unglauben noch Etwas haben, was du nicht glaubst; du hast aber trotz dieser Gelegenheit zum Lästern Nichts, was du läugnen könntest.
