1. Vor der Antwort auf die Lästerungen der Gegner ruft er die Hilfe des göttlichen Wesens an, um zu zeigen, daß Diejenigen, welche sich zum Streite mit den Häretikern anschicken, das Gebet voraussenden müssen.
S. 583 Wie es Denjenigen, welche dem Meere schon entronnen sind, zu geschehen pflegt, daß sie die bei den Häfen liegenden Sandbänke oder die Felsen in der Nähe des Ufers fürchten: Das begegnet nun auch mir gar sehr, daß ich nemlich, gewisse Lästerungen der Häretiker bis zuletzt aufschiebend und fast schon am Ende der vollbrachten Arbeit angelangt, gerade dieses Ende nun zu fürchten anfange, zu welchem zu kommen ich so ersehnte. Aber wie der Prophet sagt:1 „Der Herr ist mein Helfer, ich will nicht fürchten, S. 584 was mir ein Mensch thue,“ so wollen wir nicht fürchten die von den nachstellenden Häretikern angelegten Gruben und die oft mit fürchterlichen Dornen umzäunten Wege; denn da Solches den Weg mehr erschwert als schließt, so haben wir eher eine Mühe zu unserer Reinigung als Furcht wegen des Fortkommens. Stellen sich ja diese Dinge uns, die wir den rechten Weg verfolgen, machtlos entgegen und können mehr nur die Wanderer schrecken als aufhalten, so daß unser Walten und Mühen eher bei der Reinigung Etwas zu thun, als bei der Schwierigkeit Etwas zu fürchten hat. Da wir also die Hand an den ungeheuren Kopf der todtbringenden Schlange legen und alle Glieder des geschmeidigen Körpers, die in mächtigen Windungen verwickelt sind, berühren wollen, so flehen wir dich, o Herr Jesu, zu dem wir immer gebetet haben, wieder und wieder an, du wollest uns den Mund öffnen und die Worte verleihen zur Zerstörung der Bollwerke, indem wir vernichten die Trugschlüsse und all den Hochmuth, der sich erhebt wider die Wissenschaft Gottes, so daß wir gefangen nehmen jeden Verstand zu deinem Gehorsam,2 weil ja nur Jener wahrhaft frei wird, welcher anfängt, dein Gefangener zu sein. Steh’ also bei mit deinem Walten dem Werke Derjenigen, welche sich für dich über das Maß ihrer Kräfte mühen! Gib, daß wir den gähnenden Rachen der neuen Schlange und den von tödtlichem Gifte geschwollenen Hals zertreten, du, der du machst, daß die Füße der Gläubigen unverletzt über Schlangen und Skorpionen wandeln, und hinschreiten über Natter und Basilisk, zertreten den Löwen und Drachen! Verleihe auch durch die furchtlose Kühnheit der standhaften Unschuld, daß der Säugling spiele an der Natter Kluft und der kaum Entwöhnte seine Hand stecke in die Höhle der Schlange!3 Ja gib auch uns, in die Höhlen dieser so wilden und lasterhaften Schlange unschuldige Hände zu stecken! Und wenn sie schon in gewissen Klüften, S. 585 d. i. im Innern der Menschen, Schlupfwinkel oder Lagerplätze gehabt, oder Eier gelegt, oder eine Spur der kriechenden Schuppen hinterlassen hat, so nimm du von Allen die schmutzige und thierische Befleckung dieser verderblichsten Schlange hinweg! Entferne den hineingetragenen Schmutz der Treulosigkeit, und befreie mit der Wurfschaufel deiner hl. Reinigung die von übelriechendem Kote bedeckten Gemüther, damit die Räuberhöhlen Häuser des Gebetes seien! Ja, an den Orten, wo jetzt nach dem Schriftworte4 Igel und Einhorn und Waldteufel und die Schreckgestalten mannigfacher Ungeheuer hausen, dort mögen leuchten die Gaben deines hl. Geistes, nemlich die Herrlichkeiten des Glaubens und der Religion! Und wie du einst hinausstießest die Verehrung der Götzen und zerstörtest die Bilder, um dann aus den Hainen der Dämonen Tempel der Tugend zu machen; wie du hineinleuchtend in die Höhlen der Schlangen und Skorpione mit dem Strahle des glänzenden Lichtes, aus den Schlafkammern des Irrthums und der Schandthaten Wohnungen voll Schmuck und Schönheit gemacht hast: so gieße Allen, deren Augen die Nacht häretischer Verkehrtheit bedeckt, das Licht deiner Barmherzigkeit und Wahrheit ein, damit sie endlich mit offenem und reinem Auge das große und heilbringende Geheimniß deiner Menschwerdung schauen und einsehen, du seiest so aus jenem hl. Leibe der unbefleckten Jungfrau als wahrer Mensch für die Welt hervorgegangen, daß du dennoch stets als wahrer Gott zu erkennen bist.
