Dritter Artikel. Die Sünde hat eine äußere Ursache.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Sünde ist ein freier Willensakt, also vollständig innerhalb unserer Gewalt. II. Wie die Natur ein innerliches Princip im Dinge ist, so auch der Wille. Ein Fehler im Bereiche der Natur aber erfolgt nur infolge einer innerlichen Ursache; wie z. B. die Mißgeburten erfolgen infolge des Verderbtseins irgend eines innerlichen Princips. Also erfolgt auch die Sünde nur infolge einer innerlichen Ursache. Und somit hat sie keine äußere Ursache. III. Wird die Ursache vervielfältigt, so auch die davon abhängige Wirkung. Vereinigen sich aber viele äußere Dinge, die zur Sünde reizen, so vermindert dies im Gegenteil die Schuld. Also ist außen keine Ursache für die Sünde. Auf der anderen Seite heißt es Num. 31.: „Sind es nicht diese (äußerlichen) Dinge, welche die Kinder Israels getäuscht haben und die Ursache gewesen sind, daß sie Gott verließen.“ Also äußere Dinge können Ursache her Sünde sein.
b) Ich antworte, die innerliche Ursache der Sünde sei: 1. der Wille, der den vollen Akt der Sünde setzt; 2. die Vernunft, welche ermangelt, die gebührende Norm vorzulegen; 3. das sinnliche Begehren als hinneigend. So also kann etwas Äußerliches in dreifacher Weise Ursache der Sünde sein: 1. weil es unmittelbar den Willen bewegt; 2. weil es die Vernunft bewegt; 3. weil es das sinnliche Begehren bewegt. Den Willen aber innerlich bewegen kann nur Gott, der aber nicht Ursache der Sünde sein kann. (Kap. 79, Art. 1.) Die Vernunft bewegen kann ein anderer Mensch oder der Teufel vermittelst der Überredung. Das sinnliche Begehren bewegen können die äußeren sichtbaren Dinge. Weder aber ist die Überredung bezüglich der Vernunft mit irgend welcher Notwendigkeit verbunden; noch bewegen die äußeren Dinge mit Notwendigkeit den begehrenden Teil; und dieser wieder thut dies nicht notwendig mit Rücksicht auf den Willen und die Vernunft. Also kann etwas Äußerliches wohl in etwa Ursache der Sünde sein; jedoch keine hinreichende. Eine solche ist nur der Wille.
c) I. Die äußerlichen Dinge bewegen nicht in hinreichender Weise. Also bleibt es in der Gewalt, zu sündigen oder nicht. II. Was von außen her Einfluß hat, besitzt diesen nur vermittelst der innerlichen Ursachen. III. Die Akte der Sünde werden vervielfältigt gemäß der Vervielfältigung der äußeren hinneigenden Ursachen; denn mehrere dieser Ursachen neigen hin das Begehren und öfter neigen sie hin zur Sünde. Es wird aber minder die Schuld, welche sich danach richtet, daß etwas freiwillig und in uns ist.
