Erster Artikel. Die Sünde verursacht einen Flecken in der Seele.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Die höher stehende Natur kann nicht befleckt werden von der niedriger stehenden; wie „der Sonnenstrahl“ nach Augustin (contra Quinque haere. cap. 5.) „nicht befleckt wird durch die Berührung mit übelriechenden Körpern.“ Die Seele aber steht bei weitem höher wie die vergänglichen Güter, denen der Sünder sich zuwendet. II. Die Sünde ist hauptsächlich im Willen, der Wille in der Vernunft. Die Vernunft aber wird nicht befleckt aus der Betrachtung welch immer, auch der niedrigsten und schmutzigsten Dinge; vielmehr wird sie dadurch vollendet. Also wird auch der Wille nicht befleckt durch die Sünde. III. Ein solcher Flecken müßte etwas Positives sein oder ein bloßer Mangel. Etwas Positives kann er nicht sein. Denn dann wäre er ein Zustand, da nichts Anderes aus einer Thätigkeit in der Seele verursacht wird. Ein solcher Zustand ist er aber nicht. Denn wenn auch der Zustand bereits entfernt ist, bleibt noch immer der Flecken; wie bei dem dies klar ist, der schwer durch Verschwendung sündigt und nachher den Zustand wechselt, indem er schwer durch Geiz sündigt. Ahnlich kann ein solcher Flecken kein bloßer Mangel sein. Denn alle Sünden kommen als solche von der Abwendung von Gott und vom Mangel an Gnade. Also wiirden alle Sünden den nämlichen Flecken zur Folge haben. Also ist die Sünde überhaupt nicht mit einem Flecken in der Seele als mit ihrer Wirkung verbunden. Auf der anderen Seite wird Ekkli. 47. dem Salomo gesagt. „Einen Flecken hast du mitgeteilt deinem Ruhme;“ — und Ephes. 5. heißt es: „Damit Er sich eine glorreiche Kirche herstelle, die keinen Flecken und keine Runzel hat;“ in beiden Stellen ist vom Flecken der Sünde die Rede.
b) Ich antworte, als Flecken werde im Körperlichen es bezeichnet, wenn ein Körper seinen Glanz verliert infolge der Berührung mit einem anderen Körper, sei es ein Kleid oder sei es Gold und Silber oder dergleichen. Nun hat die Seele einen doppelten Glanz: den einen aus dem Wiederstrahlen des göttlichen Lichtes in der natürlichen Vernunft; den anderen aus dem Wiederstrahlen des göttlichen Lichtes in der Weisheit und Gnade, wodurch der Mensch ebenfalls vollendet wird, um gut und gebührend zu wirken. Eine Berührung der Seele aber stellt es vor, wenn sie einzelnen Dingen kraft der Liebe anhängt. Da sie also in der Sünde einzelnen Gütern anhängt gegen das Licht der Vernunft und gegen die Gnade, so wird der Verlust an Glanz, der davon herrührt, nach dem Bilde des Körperlichen „Flecken“ genannt.
c) I. Nicht durch die Kraft der niederen Dinge wird die Seele befleckt, als ob diese in sie hineinwirkten. Vielmehr verunreinigt sich die Seele selber durch ihre Thätigkeit, indem sie vergänglichen Gütern ungeregelterweise anhängt. II. Die Thätigkeit der Vernunft vollzieht sich dadurch, daß die Dinge in der Vernunft sich finden nach der Seinsweise der Vernunft. Diese also wird von den Dingen nicht befleckt, sondern vollendet. Die Thätigkeit des Willens aber besteht in der Bewegung zu den Dingen selber hin, so daß die Liebe den Liebenden an die geliebte Sache fesselt. Danach wird die Seele befleckt, wann sie ungeordneterweise Vergänglichem anhängt, nach Osee 9.: „Abscheulich sind sie geworden gleich den Dingen, die sie liebten.“ III. Der Flecken ist nichts Positives in der Seele und auch kein reiner Mangel. Er bezeichnet vielmehr einen gewissen Mangel des Glanzes in der Seele mit Rücksicht auf dessen Ursache, die Sünde; und sonach verursachen die verschiedenen Sünden verschiedene Flecken. So wird auch der Schatten, der da ist ein Mangel an Licht infolge eines entgegenstehenden Körpers, ein verschiedentlicher infolge der verschieden gestalteten Körper, welche entgegenstehen.
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