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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 10

Erster Artikel. Die Seele Christi hat nicht Gottes Wesen erschöpfend begriffen.

a) Dem steht entgegen: I. Isidorus sagt (1. de summo Bono 3.): „Die heilige Dreieinigkeit
ist Sich allein voll bekannt und dem angenommenen Menschen.“ Also
Christus hat gemein mit der heiligen Dreieinigkeit die Kenntnis derselben,
soweit sie dieser allein eigen ist. II. Etwas Höheres ist es, mit Gott vereinigt zu sein in der Personals im Schauen. Damascenus (3. de orth. fide 6.) aber sagt: „Die ganze Gottheit ist in einer der Personen mit der menschlichen Natur in Christo verbunden.“ Also um so mehr wird die Gottheit von der Seele Christi vermittelst der Anschauung erschöpfend begriffen. III. „Was dem Sohne Gottes kraft der Natur zukommt, das kommt dem Sohne des Menschen zu kraft der Gnade,“ sagt Augustin (1. de Trin. 13.). Das erschöpfende Begreifen des göttlichen Wesens aber kommt dem Sohne Gottes kraft der Natur zu; also der Seele Christi kraft der Gnade. Auf der anderen Seite sagt Augustin (83 Qq. 14.): „Was sich selbst erschöpfend begreift, das ist sich selbst gegenüber geendet.“ Die göttliche Wesenheit aber ist nicht geendet im Verhältnisse zur Seele Christi, da sie letztere unendlich hoch überragt. Also von der Seele Christi wird das ewige Wort nicht erschöpfend begriffen.

b) Ich antworte, die Einigung sei in Christo in der Weise vollendet worden, daß einer jeden von beiden Naturen ihre Eigenheiten gewahrt geblieben sind. „Das Ungeschaffene blieb in seinem Charakter des Ungeschaffenen, das Geschaffene blieb in den Grenzen der Natur,“ sagt Damascenus (3. de orth. fide 3.). Keine Kreatur aber kann erschöpfend begreifen die göttliche Wesenheit, nach I. Kap. 12, Art. 1, 4, 7., weil das Unbegrenzte vom Begrenzten nicht umgriffen werden kann. Also ist in keiner Weise die Seele Christi fähig, das göttliche Wesen ganz und voll zu begreifen.

c) I. Der angenommene Mensch ist in der Weise mit Rücksicht auf die Kenntnis gleichförmig der heiligen Dreieinigkeit, daß Er in einem vor allen Kreaturen hervorragenden Maße Gott schaut; nicht aber weil Er das göttliche Wesen voll begreift. II. Auch nicht in der Einigung gemäß dem Sein der Person umgreift
die menschliche Natur Gottes Wort oder die göttliche Natur. Denn wohl
ist die ganze Gottheit mit der menschlichen Natur vereinigt in der einen
einigen Person des Sohnes; nicht aber so, als ob die ganze Kraft der
göttlichen Natur von der menschlichen umgriffen oder erschöpft worden sei.
Deshalb sagt Augustin (ad Volusian. ep. 136.): „Ich will, daß Du wissen
sollst, nicht so sei gemäß der christlichen Lehre Gott mit dem Fleische verbunden worden, daß Gott die Obsorge und Leitung des All beiseite gelassen
oder verloren oder auf jenes geringe Körperchen beschränkt und übertragen
habe.“ Und ähnlich schaut die Seele Christi die ganze Wesenheit Gottes;
nicht aber begreift sie dieselbe erschöpfend, weil sie dieselbe nicht so sieht,
wie sie nach allen Seiten hin erkennbar ist (vgl. I. Kap. 12, Art. 7.); nicht
wird die ganze Erkennbarkeit Gottes von der Seele Christi erschöpft. III. Jene Stelle spricht von der Gnade der Einigung, der gemäß
Alles, was vom Sohne Gottes ausgesagt wird gemäß der göttlichen Natur,
auch vom Sohne des Menschen gilt auf Grund der Einheit in der Person.
Und danach ist der Sohn des Menschen voll begreifend und umfassend das
göttliche Wesen; nicht gemäß der Seele, sondern gemäß der göttlichen
Natur. In derselben Weise kann gesagt werden, der Sohn des Menschen
sei Schöpfer.

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