Zweiter Artikel. In Christo war außer im vernünftigen Teile auch im sinnlichen ein etwelcher Wille.
a) Ein solches Wollen war nicht im sinnlichen Teile. Denn: I. Der Wille ist in der Vernunft, nach 3. de anima; im sinnlichen Teile ist nur die Begehr- und die Abwehrkraft. Die Sinnlichkeit aber will sagen das sinnliche Begehren. Also war im sinnlichen Teile Christi kein Wollen. II. Nach Augustin (12. de Trin. 13.) wird durch die Schlange der sinnliche Teil bezeichnet. In Christo aber ist nichts Schlangenartiges. Er hatte wohl einigermaßen Ähnlichkeit mit diesem giftigen Tiere, aber ohne Gift in sich zu haben, nach Augustin (1. de peccator. merit. et rem. c. 32.) zu Joh. 3.) zu: „Wie Moses erhöht hat die Schlange in der Wüste.“ III. Der Wille folgt der Natur. In Christo aber war außer der göttlichen nur eine Natur. Also war da nur ein menschlicher Wille. Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (2. ad Grat. de fide 3.): „Mein ist der Wille, den Er den seinigen nennt; weil Er als Mensch meine Trauer angenommen hat.“ Daraus geht hervor, daß die Trauer zum menschlichen Willen in Christo gehört. Nun gehört aber die Trauer zum sinnlichen Teile (I., II. Kap. 23, Art. 1 und 3.). Also giebt es in Christo einen dem sinnlichen Teile angehörigen Willen außer jenem, welcher der Vernunft zugehört.
b) Ich antworte; der Sohn Gottes nahm die menschliche Natur als eine vollständige an. Nun wird in der menschlichen Natur eingeschlossen der sinnliche Teil, wie die „Art“ eingeschlossen ist in der Gattung. Also hat der Sohn Gottes angenommen das, was zur Vervollständigung des sinnlichen Teiles gehört; und somit war in Christo sinnliches Begehren. Nun nimmt das sinnliche Begehren, insofern es von Natur geeignet ist, der Vernunft zu gehorchen, teil an der Vernunft (1 Ethic. ult.). Wie also der Wille in der Vernunft ist und danach als teilnehmend an der Vernunft bezeichnet werden kann, so darf man aus gleichem Grunde sagen, das sinnliche Begehren sei etwas, was am Willen teilnimmt, ein Wille kraft Mitteilung.
c) I. Dieser Einwurf beschäftigt sich mit dem Willen, der seinem Wesen nach so genannt wird, der da nur ist im vernünftigen Teile. DerWille kraft Teilnahme aber kann sein im sinnlichen Teile, insofern dieser der Vernunft gehorcht. II. Der sinnliche Teil wird nicht in seiner Natur durch die Schlange versinnbildet; sondern wegen des darin liegenden Fleischesstachels, den Christus nicht angenommen. III. Wo Eines ist auf Grund des Anderen, da scheint nur Eines zu sein; wie die Oberfläche, welche sichtbar ist auf Grund der Farbe, ein einiges Sichtbares ist zusammen mit der Farbe. Weil also die Sinnlichkeit Wille genannt wird einzig auf Grund der Teilnahme am vernünftigen Willen, so wird, wie eine Natur in Christo, so auch ein menschlicher Wille in Christo angenommen.
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