Dritter Artikel. Nicht zwei Vermögen im Wollen sind in Christo mit Rücksicht auf die Vernunft.
a) Dies scheint aber. Denn: I. Damascenus (2. de orth. fide 22.) schreibt, im Menschen sei ein doppelter Wille, der eine nämlich mit der Natur gegeben, die θέλησις; der andere gehe von der vernünftigen Auswahl aus, die βούλησις. Christus aber hatte vollständig die menschliche Natur. Also jeder von diesen beiden Willen war in Christo. II. Die begehrende Kraft wird im Menschen unterschieden gemäß der Verschiedenheit in der auffassenden Kraft; und demgemäß ist je nach der Auffassung der Vernunft oder der Sinne ein vernünftiges und ein sinnliches Begehren im Menschen. Also. III. Manche nehmen in Christo einen Willen an für das Heilige, der nur in der Vernunft sich finden kann. Also sind von seiten der Vernunft mehrere Arten Wollen oder mehrere Willenskräfte. Auf der anderen Seite ist im Bereiche jeder Seinsart ein Erstbewegendes. Der Wille aber ist das Erstbewegende im Bereiche der Seinsart der menschlichen Akte. Also ist im Menschen und somit in Christo nur ein Wille, der vernünftige.
b) Ich antworte, der Wille werde manchmal genommen als Vermögen, manchmal als Thätigkeit. Wird er als Thätigkeit genommen, so muß man von seiten der Vernunft einen doppelten Willen annehmen, d. h. zwei Gattungen von Willensakten. Denn der Wille richtet sich sowohl auf den Zweck wie auf das Zweckdienliche; und in je verschiedener Weise richtet er sich auf Jedes von beiden. Auf den Zweck nämlich richtet er sich schlechthin und ohne Bedingung als auf das an sich Gute; auf das Zweckdienliche aber auf Grund dessen daß es Beziehung hat auf Anderes. Und demangemessen ist ein anderer der Willensakt, welcher auf das an sich Gute geht, wie auf die Gesundheit z. B., was Damascenus θέλησις nennt; und ein anderer der Willensakt, der auf etwas geht mit Beziehung auf Anderes, wie auf die Medizin, was βούλησις heißt. Diese Verschiedenheit im Thätigsein aber ist kein Grund für eine Verschiedenheit im Vermögen selber, da beiderlei Thätigsein einen gemeinsamen Charakter im Gegenstände voraussetzt, nämlich das Gute. Als Vermögen also ist in Christo nur ein menschlicher Wille dem Wesen nach; aber als Thätigkeit findet sich in Christoder Willensakt, der wie mit der Natur gegeben ist, die θέλησις; und der Willensakt, der vom Auswählen und Schließen der Vernunft abhängt, die βούλησις. I. Jene beiden Arten zu wollen unterscheiden sich dem Thätigsein, nicht dem Vermögen nach. II. Auch die Vernunft und der Verstand, soweit dieser vom Einen auf das Andere schließt, sind keine verschiedenen Vermögen (I. Kap. 79, Art. 8.). III. Der auf das Heilige gerichtete Wille (voluntas pietatis) ist nichts Anderes wie der mit der Natur gegebene Willensakt, insoweit er das Übel, als schlechthin betrachtet, flieht.
