Erster Artikel. In Christo ist nicht bloß ein einziges Thätigsein der Gottheit und Menschheit.
a) Das Gegenteil wird bewiesen: I. Dionysius (2. de div. nom.) sagt: „Gemäß uns und aus uns ist wahrhaft und vollständig Mensch geworden das überwesentliche Wort und hat gewirkt und gelitten, was seinem gottmenschlichen Thätigsein zukommt.“ Eine also nur ist die Thätigkeit in Christo, die θεανδρική. II. Der haupteinwirlende und sein Werkzeug bringen ein einiges Thätigsein hervor; so ist aber das Verhältnis zwischen Gottheit und Menschheit in Christo. Also ist da nur ein Thätigsein. III. In Christo ist nur eine Person, wenn auch in zwei Naturen. Das Thätigsein aber gehört der Person an. IV. Das eine einige Sein in Christo entspricht der Einheit der Person; also auch das eine einige Thätigsein. V. Wo nur ein Gewirktes ist, da ist nur eine Thätigkeit. Die Erweckung eines toten oder die Heilung eines aussätzigen aber ist ein einiges Gewirktes. Also ist da nur ein Thätigsein. Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (2. de fide 4.): „Wie kann da nur eine Art Thätigkeit sein, wo eine doppelte Natur ist? Kann denn so die geringere Natur wirken wie die höhere?“
b) Ich antworte; jene, welche nur einen Willen in Christo annahmen, seien auch für ein einiges Thätigsein eingetreten. Und damit ihr Irrtum sich klarer hinstelle, muß man erwägen, daß überall, wo mehrere einwirkende Ursachen im Verhältnisse zu einander geordnet sind, die niedrigere in Bewegung gesetzt wird von der höheren; wie im Menschen der Körper bewegt wird von der Seele und die niederen Kräfte von seiten der Vernunft. So sind also die Thätigkeiten der niedriger stehenden Principien mehr etwas Gewirktes wie etwas Wirkendes. Die eigentliche Wirksamkeit oder das Thätigsein schlechthin gehört dem höchsten Princip an. So wandeln beim Menschen z. B. die Füße, es fühlen die Hände; das sind aber vielmehr Wirkungen, es ist Gewirktes von seiten des Menschen, von denen er das Eine wirkt vermittelst der Füße, das Andere vermittelst der Hände. Damit ist dies Alles mit Rücksicht auf den Menschen wegen der Einheit der Seele eine einige Wirksamkeit; und die Verschiedenheit steht auf seiten des Gewirkten. Wie aber im bloßen Menschen der Körper von der Seele bewegt wird und das sinnliche Begehren vom vernünftigen, so ward in Christo die menschliche Natur bewegt und gelenkt von der göttlichen. Und danach sagten sie, es sei eine einige, ununterschiedene Wirksamkeit da von seiten deswirkenden; und eine Verschiedenheit bestehe nur mit Rücksicht auf das Gewirkte, insoweit die Gottheit Anderes wirkte durch Sich selbst, wie z. B. daß sie mit dem Worte ihrer Kraft Alles trug; und Anderes durch die menschliche Natur, wie z. B. das körperliche Wandeln. Deshalb werden im sechsten Generalkonzil die Worte des Häretikers Severus angeführt: „Was von Christo gewirkt wurde, das läßt untereinander einen großen und vielseitigen Unterschied zu; denn Manches davon ist Gott geziemend. Manches dem Menschen gebührend. So ist das Wandeln auf Erden jedenfalls menschlich; den ganz und gar lahmen aber das Gehen verleihen, ist Gott zuzurechnen. Ein und dasselbe menschgewordene göttliche Wort hat das Eine und das Andere gethan; und keineswegs gehört das Wirken nun der einen und nun der anderen Natur an; und nicht sagen wir, weil die Kleider verschieden sind, es seien zwei Naturen oder Formen, die da wirken.“ Dabei wurden sie dadurch getäuscht, daß sie nicht bedachten, wie dem, was von etwas Anderem bewegt wird, ein doppeltes Wirken zu eigen sei. Denn wird z. B. die Säge vom Zimmermanne bewegt, so ist das der Säge entsprechende Einschneiden das Wirken der Säge; aber daß daraus eine Bank wird, das kommt vom Zimmermanne. So ist das Warmmachen eigen dem Feuer; daß aber das Eisen dadurch warm wird, das kommt vom Schmiede. Es ist da in diesen Fällen wohl eine einheitliche Wirksamkeit; aber die Säge oder das Eisen nimmt als Werkzeug einen ihm eigenen Anteil an diesem einen Wirken. Wo also das Bewegende und das in Bewegung Gesetzte voneinander verschiedene Formen oder Kräfte haben, da ist dem einen eine verschiedene Art Thätigsein eigen wie dem anderen; obgleich das Bewegende gebraucht das Thätigsein des in Bewegung Gesetzten und nach dieser Seite hin Beides in Gemeinschaft wirkt. In dieser Weise hat demgemäß die menschliche Natur in Christo ein eigenes Thätigsein, welches verschieden ist vom Thätigsein der göttlichen Natur. Die göttliche Natur aber bedient sich der der menschlichen Natur eigenen Wirksamkeit wie der Wirksamkeit eines Werkzeuges. Und die menschliche Natur nimmt teil an der Wirksamkeit der göttlichen wie das. Werkzeug teilnimmt am Wirken der Hauptursache. Dies drückt Leo der Große mit den Worten aus (ad Flavian.): „Jede Natur ist thätig in Gemeinschaft mit der anderen in der ihr eigenen Weise. Denn das Wort wirkt was Ihm eigen ist und das Fleisch wirkt was ihm eigen ist.“ Bestände also in Christo nur eine Wirksamkeit, so müßte man sagen, die menschliche Natur habe nicht ihre eigene bestimmte Kraft — und da wäre sie unvollkommen in Christo; — oder aus der göttlichen und menschlichen Kraft setze sich in Christo zusammen eine einzige Kraft — und das hieße die Naturen vermengen. Deshalb heißt es durchaus vernunftentsprechend im genannten Konzil: „Wir verherrlichen in Christo Jesu, unserem Gotte, zwei natürliche Wirksamkeiten, die ungeteilt, unvermischbar, unvermengt, untrennbar nebeneinander bestehen.“
c) I. Dionysius nennt die Thätigkeit Christi eine gottmenschliche, um dadurch anzuzeigen, daß die göttliche Thätigkeit gebrauche die menschliche und die menschliche ihrerseits teilnehme an der Kraft der göttlichen. Deshalb sagt er (ep. 5. ad Cajum): „Über die Kraft des Menschen hinaus wirkte Er das, was des Menschen ist; dies zeigt die Jungfrau, die in übernatürlicher Weise empfängt, und das Wasser, das unter seinen Füßen fest bleibt.“ Empfangenwerden nämlich und wandeln ist eigen der menschlichen Natur; in Christo aber war Beides über die Natur hinaus. Darumfügt Dionysius hinzu: „Nicht gemäß Gott machte Er Göttliches und nicht gemäß dem Menschen Menschliches, sondern eine gewisse neue Wirksamkeit Gottes und des Menschen hatte Er.“ Wie er aber zwei Naturen auffaßte und zwei Arten von Wirksamkeit, drückt er 2. de div. nom. aus: „Mit dem, was zu seinem menschlichen Wirken gehörte, hat der Vater und der heilige Geist nichts gemein; außer daß der höchst gütige Wille waltete;“ insoweit nämlich der Vater und der heilige Geist wollten, daß Christus Menschliches wirke und leide: „Und gemäß dem überaus erhabenen und unaussprechlichen Wirken Gottes, nach welchem Er Mensch geworden für uns Menschliches that, ist Er geblieben unveränderlich fürwahr Gott und Gottes Wort.“ So hat also der Herr eine Art von Thätigsein, an welchem der Vater und Sohn nicht teilnehmen außer auf Grund ihres barmherzigen Willens; und eine andere Art von Thätigsein hat Er, insofern Er das Wort Gottes ist und mit dem Vater und dem heiligen Geiste gemein hat die eine göttliche Natur. II. Die Thätigkeit des Werkzeuges als eines Werkzeuges ist nicht unterschieden vom Thätigsein des Haupteinwirkenden. Aber als Sache für sich kann es eine ihm eigene Thätigkeit haben. Nicht also ist es eine andere Erlösung, durch welche die göttliche Natur erlöst, und eine andere jene, durch welche die menschliche Natur erlöst. Es hat aber die menschliche Natur als menschliche ein ihr eigenes Thätigsein. III. Wirken oder Handeln gehört allerdings der Person oder dem Fürsichbestehenden an, jedoch gemäß der Natur und der Form, von der das Wirken oder Handeln den Charakter der Gattung empfängt. Also die Verschiedenheit in der Gattung der Wirksamkeit hängt von der Verschiedenheit der Formen oder Gattungen ab; die Einheit in der Zahl richtet sich nach der Einheit in der Person. So leuchtet und wärmt das Feuer, und hat somit zwei Arten von Wirksamkeit, die der Gattung nach sich unterscheiden wie Licht und Wärme; — trotzdem aber besteht da der Zahl nach nur eine Wirksamkeit. Und ähnlich ist es in Christo mit Rücksicht auf die zwei Naturen und die eine Person. IV. Sein und Wirken kommt der „Person“ von der „Natur“ aus zu, jedoch in je verschiedener Weise. Denn das Sein gehört zur Herstellung selber der Person und somit verhält sich die „Person“ in der Weise des Abschlusses, des terminus; wonach die Einheit der Person verlangt die Einheit im Sein. Das Wirken aber ist eine Wirkung der Person gemäß einer Natur, geht also von der „Person“, als dem Princip, aus. Die Mehrheit in den Arten der Wirksamkeit verstößt sonach nicht gegen die Einheit im persönlichen Sein. V. Das der göttlichen Wirksamkeit eigene Gewirkte ist ein Anderes wie das von der menschlichen Wirksamkeit Gewirkte. So ist die Heilung des aussätzigen eigen dem göttlichen Wirken; die Berührung des aussätzigen ist eigen dem menschlichen Wirken. Die Gemeinschaft wird hergestellt, wie oben gesagt.
