Dritter Artikel. Die Sühnung der Sünden ward vom Priestertume Christi gewirkt.
a) Dem steht entgegen: I. Gott allein gehört es zu, die Sünden zu tilgen, nach Isai. 43.: „Ich bin es, der deine Missethaten tilgt um meinetwillen.“ Christus aber ist nicht als Gott Priester, sondern als Mensch. Also war sein Priestertum nicht Tilgung oder Sühnung der Sünden. II. Hebr. 10. heißt es: „Die Opfer des Alten Testamentes konnten nicht vollkommen machen jene, die sie darbrachten; sonst würden sie aufhören dargebracht zu werden, weil eben die Verehrer, einmal gereinigt, nicht mehr Sünden im Gewissen hätten; jetzt aber geschieht bei ihnen Ewähnung der Sünden jedes Jahr.“ Unter dem Priestertume Christi aber geschieht ebenfalls Erwähnung der Sünden, nach Matth. 6.: „Verzeihe uns unsere Sünden.“ Ebenso wird beständig in der Kirche das Opfer dargebracht, weshalb es da auch heißt: „Unser tägliches Brot gieb uns heute.“ Also werden die Sünden durch das Priestertum Christi nicht getilgt. III. Im Alten Bunde ward für die Sünden eines Priesters ein Kalb geopfert, für die Sünde eines Fürsten ein Bock, für die von jemandem aus dem Volke eine Ziege (Lev. 4.). Christus aber wird mit nichts von dem verglichen, sondern mit dem Lamme, nach Jerem. 11.: „Ich bin wie ein sanftmütiges Lamm, das man zur Schlachtbank trägt.“ Also war sein Priestertum nicht die Sühnung der Sünden. Auf der anderen Seite heißt es Hebr. 9.: „Das Blut Christi, der durch den heiligen Geist Sich selbst als unbeflecktes Opfer dargebracht hat, wird euer Gewissen rein machen von toten Werken, damit ihr dienet dem lebendigen Gotte.“
b) Ich antworte; nach den zwei Dingen, die in der Sünde sind, dem Flecken der Schuld und der verschuldeten Strafe, wird zur vollendeten Reinigung von Sünden zweierlei erfordert: 1. Die Gnade, durch welche der Flecken der Schuld gelöscht und der Sünder im Herzen zu Gott bekehrt wird; — 2. die Genugthuung, welche dazu dient, die Strafe hinwegzunehmen. Beides findet sich nun im Priestertume Christi. Denn kraft desselben erhalten wir: 1. Gnade, wodurch unsere Herzen zu Gott bekehrt werden, nach Röm. 3.: „Gerechtfertigt also unverdienterweise durch seine Gnade vermittelst der Erlösung, welche ist in Christo Jesu, den Gott uns vorgestellt hat als unseren Sühner auf Grund des Glaubens in seinem Blute;“ — 2. die volle Genugthuung für unsere Sünden, insofern Christus „getragen hat unsere Schmerzen und sich beladen hat mit unseren Missethaten.“ Also ist im Priestertume Christi die Sühne für unsere Sünden.
c) I. Freilich war Christus nicht als Gott Priester, sondern als Mensch; jedoch war es ein und derselbe, der da Gott und Mensch war. Deshalb erklärt das Konzil von Ephesus (part. 3, cap. 1, can. 10.): „Wenn jemand sagt, unser Hohepriester und Apostel sei geschaffen und nicht sei Er das Wort selber aus Gott, da es Fleisch ward und Menfch wie wir; sondern Er sei ein anderer, ein Mensch für sich aus dem Weibe; — der sei im Banne.“ Insoweit also die menschliche Natur in Christo wirkte in der Kraft der göttlichen, war dieses Opfer über Alles wirksam, um die Sünden zu tilgen. Deshalb sagt Augustin (4. de Trin. 14.): „Da nun viererlei in jedem Opfer berücksichtigt wird: nämlich derjenige, dem geopfert wird; jener, von dem geopfert wird; was und wofür geopfert wird; — so blieb der eine und selbige, wahrhaftige Mittler, der durch sein Opfer uns mit Gott versöhnte, ein und derselbe mit demjenigen, dem Er opferte; Er einte mit Sich jene, für die Er opferte; ein und derselbe, der ewig Eine war es, der opferte und was geopfert wurde.“ II. Nicht weil das Opfer des Neuen Bundes nicht wirksam wäre, werden da Sünden erwähnt; sondern mit Rücksicht auf jene, die seines Opfers nicht teilhaft werden wollen wie die ungläubigen, für deren Sünden wir beten, damit sie bekehrt werden; oder auch mit Rücksicht auf jene, die, nachdem sie teilhaft geworden dieses Opfers, von Ihm sich entfernen und, wie auch immer, sündigen. Das Opfer aber, welches man täglich in der Kirche darbringt, ist kein anderes wie das von Christo dargebrachte; es ist nur eine fortgesetzte Erwähnung desselben. Deshalb sagt Augustin (10. de civ. Dei 20.): „Der darbringende Priester ist Christus selber; Er ist die Opfergabe, die dargebracht wird; das tägliche Sakrament ist, so wollte Er, das tägliche Opfer in der Kirche. III. Nach Origenes (zu Joh. 1. Ecce Agnus Dei) war das tägliche Opfer, welches am Abende und am Morgen dargebracht wurde, ein Lamm (Num. 28.); wenn auch sonst noch andere Opfer im Alten Testamente dargebracht worden sind. Damit wurde bezeichnet, das vollendende Opfer aller anderen sei das Lamm: nämlich die Darbringung des wahren Lammes, Christus. Deshalb heißt es Joh. 1.: „Siehe, das Lamm Gottes, das da hinwegnimmt die Sünden der Welt.“
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