Sechster Artikel Das Priestertum Christi war nach der Ordnung des Melchisedech.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Christus ist der Urquell alles Priestertums; also folgt Er nicht einer anderen priesterlichen Ordnung. II. Das Priestertum im Gesetze stand näher dem Priestertume Christi wie das Priestertum vor dem Gesetze. Die Sakramente (im Alten Bunde) auch waren um so ausdrücklichere Figuren Christi, je näher sie Christo standen. Also muß das Priestertum Christi vielmehr benannt werden nach dem Priestertume unter dem Gesetze, wie nach dem des Melchisedech, der vor dem Gesetze war. III. Hebr. 7. wird gesagt, daß er (Melchisedech) ist „der König des Friedens, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, weder einen Anfang der Tage habend noch ein Ende“, was Gottes Sohne allein zukommt. Also war Christus nicht nach der Ordnung des Melchisedech, sondern nach der Ordnung seiner selbst. Auf der anderen Seite heißt es Ps. 109.: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech.“
b) Ich antworte, das Priestertum des Gesetzes sei eine weit hinter der Wahrheit zurückbleibende Figur des Priestertums Christi gewesen; denn weder reinigte es von Sünden noch hatte es eine Wirkung bis in Ewigkeit. Dieser Vorrang nun eben des Priestertums Christi vor dem Priestertume des Gesetzes war versinnbildet durch das des Melchisedech, der den Zehnten von Abraham empfing, in dessen Lenden der Priester selber des Gesetzes dem Zehnten gewissermaßen unterworfen ward, d. h. dem Tribute an Melchisedech, die Figur Christi, des eigentlichen Priesters. Also wegen des hervorragenden Vorranges, den das Priestertum Christi genießt im Vergleiche zum Priestertume des Gesetzes als der Figur, wird gesagt, Christus sei Priester nach der Ordnung des Melchisedech
c) I. Nicht so ist Christus Priester nach der Ordnung des Melchisedech genannt, als ob letzterer ein höherer Priester gewesen wäre; sondern eben weil Er die Figur war des einzig dastehenden Vorranges, der dem Priestertume Christi innewohnt. II. Im Priestertume Christi ist zweierlei zu erwägen: 1. die Darbringung Christi selber; und 2. die Teilnahme daran. Mit Rücksicht auf die Darbringung selber war das Priestertum des Gesetzes eine ausdrücklichere Figur wie das des Melchisedech, weil da wirklich Blut vergossen wurde. Mit Rücksicht aber auf die Teilnahme an der Wirkung dieses Priestertums war das des Melchisedech eine ausdrücklichere Figur des Priestertums Christi; denn Melchisedech brachte „Wein und Brot“ dar, „ein Zeichen nämlich der kirchlichen Einheit, welche bewirkt wird durch die Teilnahme am Priestertume und am Opfer Christi,“ wie Augustin sagt (tract. 26. in Joan.). Deshalb wird im Neuen Bunde auch unter Brot und Wein das Opfer Christi den gläubigen mitgeteilt. III. Diese Ausdrücke werden da auf Melchisedech angewandt; nicht als ob er Vater und Mutter etc. nicht gehabt hätte, sondern weil die Schrift nichts davon angiebt. Darin ist er ähnlich geworden dem Sohne Gottes,der auf Erden ist ohne Vater und im Himmel ohne Mutter und ohne Stammbaum, nach Isai. 53.: „Seine Erzeugung, wer will sie erzählen?“ und nach der Gottheit hat Er keinen Anfang und kein Ende.
