Erster Artikel. Es war notwendig, der seligsten Jungfrau zu verkündigen, was in ihr sollte erzeugt werden.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Höchstens sollte die Verkündigung dazu dienen, Marias Zustimmung zu haben. Aber eine solche war nicht notwendig, da es sich hier um eine Prophetie der Vorherbestimmung handelte, „welche,“ wie die Glosse zu Matth. 1. (ut adimpleretur) sagt, „ohne unseren freien Willensakt sich erfüllt.“ II. Die seligste Jungfrau besaß den Glauben an die Menschwerdung, ohne welchen ja niemand im Stande der Gnade ist; denn „die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben Jesu Christi ist in uns allen“, sagt Paulus (Röm. 3.). Was aber jemand fest glaubt, darin bedarf es keines Unterrichtes. Also bedürfte es der Ankündigung nicht. III. Wie die seligste Jungfrau körperlich, so empfängt jeder geistigerweise in sich Christum durch die Gnade; wie es Gal. 4. heißt: „Meine Kinder, die ich wiederum gebäre, bis daß Christus in euch geformt sei.“ Im letzteren Falle aber geschieht keine solche Verkündigung. Also bedürfte es deren auch nicht im ersten. Auf der anderen Seite steht die Schrift (Luk. 1, 31.).
b) Ich antworte; es sei zweckentsprechend gewesen, daß Maria angekündigt werde die Empfängnis Christi in ihr. Denn 1. geziemte es sich, die gebührende Ordnung zu wahren, wonach der Geist zuerst unterrichtet würde über das Geheimnis, ehe das Fleisch befruchtet ward. Danach sagt Augustin (1. de virginit. 3.): „Seliger ist Maria, da sie den Glauben Christi als daß sie das Fleisch Christi in sich empfängt … Die mütterliche Verwandtschaft hätte nichts genützt, wenn sie nicht Christum früher im Herzen wie im Fleische getragen haben würde;“ — 2. konnte sie, selbst von Gott unterrichtet, zuverlässiger das Geheimnis bezeugen; — 3. ward es ihr dadurch möglich, das Opfer des Gehorsams zu bringen, was sie that mit den Worten: „Siehe eine Magd des Herrn;“ — 4. ward damit angezeigt, es bestehe eine gewisse geistige Ehe zwischen dem Sohne Gottes und der menschlichen Natur; weshalb die Zustimmung Marias als der Vertreterin der menschlichen Natur erfolgte.
c) I. Die Weissagung der Vorherbestimmung wird erfüllt ohne unseren freien Willen als verursachenden, nicht ohne unseren freien Willen als zustimmenden. II. Maria hatte festen Glauben an die kommende Menschwerdung; aber da sie demütig war, dachte sie dabei nicht an sich und deshalb mußte sie unterrichtet werden. III. Der geistigen Zeugung Christi im Herzen geht die Ankündigung der Predigt vorher, nach Röm. 10.: „Der Glaube kommt vom Hören.“ Deshalb weiß aber jemand noch nicht für gewiß, ob er die Gnade habe; sondern er weiß, wahr sei der Glaube, den er empfängt.
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