Vierter Artikel. Die Ordnung selber in der Verkündigung war zukömmlich.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Die Würde der Gottesmutter hängt vom Sohne ab. Also mußte zuerst angekündigt werden die Empfängnis des ewigen Wortes, und dann durfte, wie als Wirkung davon, Maria gelobt werden. II. Der Beweis muß vorausgeschickt werden in dem, was zweifelhaft sein kann. Der Engel aber sagte zuerst das, worüber gezweifelt werden konnte, wie Maria fragte: „Wie soll das geschehen?“ — und dann fügte er hinzu den Beweis, indem er auf Elisabeth als auf ein Beispiel hinwies und auf die Allmacht Gottes. III. Das Größere wird nicht genügend durch Geringeres bewiesen. Größer aber ist es, daß eine Jungfrau gebiert als daß dies eine alte Frau thut. Also durfte der Engel nicht beweisen die Geburt aus Maria durch den Hinweis auf die Geburt aus der heiligen Elisabeth. Auf der anderen Seite „ist geordnet was von Gott kommt“, nach Rom. 13. Jener Engel aber kam „von Gott“, wie es Luk. 1. heißt. Also war die Ordnung in seiner Verkündigung eine durchaus vollkommene.
b) Ich antworte; die Verkündigung von seiten des Engels war eine höchst geordnete. Denn 1. wollte er Maria aufmerksam machen auf die Größe und Bedeutung dessen, was verkündet werden sollte; weshalb er sie mit einem neuen und ganz ungewöhnlichen Gruße überraschte. Darum bemerkt Origenes (hom. 6. in Luc.): „Hätte Maria, welche das Gesetz kannte, gewußt, es sei ein ähnlicher Gruß sonst jemandem bereits geworden; niemals wäre sie erschreckt worden durch die ersten Worte des Engels.“ In diesen Worten des Grußes nämlich zeigte der Engel zuerst, daß sie geeignet sei für solche Empfängnis, indem er sagte: „Gnadenvolle“; dann wies er hin auf die Empfängnis selber mit den Worten: „Der Herr ist mit Dir;“ und endlich sprach er die Ehre Marias aus: „Du bist gebenedeit unter den Weibern.“' 2. Wollte der Engel sie unterrichten über das zu erfüllende Geheimnis. Dies that er, indem er die Empfängnis und die Geburt vorhersagte mit den Worten: „Siehe; Du wirst empfangen;“ … dann die Größe des Kindes zeigte: „Dieser wird groß sein“ … und endlich die Art und Weise der Empfängnis darthat: „Der heilige Geist wird über Dich kommen.“ Endlich wollte der Engel 3. die Seele Marias anleiten zur Zustimmung; was er that durch das Beispiel Elisabeths und den Hinweis auf die Allmacht Gottes
c) I. Der demütigen Seele kommt nichts wunderbarer vor wie das Hören der eigenen Vorzüge. Daß aber jemand sich wundert, macht aufmerksam. Dies nun wollte der Engel und deshalb fing er vom Lobe Marias an. II. Ambrosius sagt (sup. Luc. 1.) ausdrücklich, daß Maria nicht gezweifelt hat: „Wie sehr ist maßvoller die Antwort Marias als die desPriesters. Maria sagt: Wie wird das geschehen? Zacharias: Woher soll ich dies wissen? Jener also leugnet, daß er glaube, der da leugnet, er wisse es. Maria aber zweifelt nicht daß dies zu geschehen habe, von dem sie erforscht, wie es zu geschehen habe.“ Wenn Augustin (q. 51. V. et N. T.) dagegen zu meinen scheint, Maria habe „gezweifelt an der Möglichkeit einer solchen Empfängnis“, so ist doch solcher Zweifel mehr Bewundern und Staunen gewesen wie Unglaube. Deshalb führt der Engel Beweise an, die nicht dazu geeignet sind, den Unglauben zu heben, wohl aber, ihre Verwunderung zu entfernen. III. Ambrosius schreibt im Hexaëmeron (lib. V. c. 19.): „Deshalb haben viele unfruchtbare geboren, damit die Geburt der Jungfrau geglaubt würde.“ Die Empfängnis der heiligen Elisabeth wird deshalb nicht als ein genügender Beweisgrund angeführt, sondern wie ein als Figur für die jungfräuliche Geburt dienendes Beispiel. Zur Kräftigung dieses Beispiels dient dann der wirksame Beweisgrund von der Allmacht Gottes her.
