Erster Artikel. Zukömmlich war es, daß Christus beschnitten wurde.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Kommt die Wahrheit, so schwindet das Bild oder Zeichen. Die Beschneidung aber wurde Abraham vorgeschrieben wie ein Zeichen des Bundes, welcher betraf den einst kommenden Samen (Gen. 17.). Also mußte, als dieser Bund erfüllt war, die Figur schwinden und somit durfte Christus nicht beschnitten werden. II. Jede Handlung Christi ist eine Belehrung für uns, nach Joh. 13.:„Ein Beispiel gab ich euch, damit wie ich gethan auch ihr thuet.“ Wir aber dürfen die Beschneidung nicht zulassen, nach Gal. 5.: „Wenn ihr euch beschneiden lasset, nützt euch Christus nichts.“ Also. III. Die Beschneidung war ein Heilmittel gegen die Erbsünde, die Christus nicht hatte. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Schrift (Luk. 2, 21.).
b) Ich antworte; Christus ließ die Beschneidung zu aus mehreren Ursachen: 1. Damit Er die Wahrhaftigkeit des menschlichen Fleisches zeige gegen Manichäus, der meinte, Christi Leib sei ein phantastischer gewesen; gegen Apollinarius, der sagte, der Leib Christi sei mit der Gottheit von der gleichen Substanz gewesen; und gegen Valentinus, nach welchem dieser Leib vom Himmel herabgebracht worden sei. 2. Damit Er die Beschneidung selber billige, die Gott im Gesetze vorgeschrieben. 3. Damit Er darthue, Er sei vom Geschlechte Abrahams, der die Beschneidung empfangen zum Zeichen des Glaubens an Ihn (Christum), der kommen sollte. 4. Damit den Juden jede Entschuldigung genommen werde, Ihn nicht anzunehmen. 5. Damit Er die Tugend des Gehorsams durch sein Beispiel kräftige, wonach Er auch gemäß dem Gesetze am achten Tage beschnitten worden ist. 6. Damit Er, der da gekommen war, um angethan zu sein mit dem Fleische der Sünde, das Heilmittel nicht verschmähe, wodurch das Fleisch gereinigt zu werden pflegte. 7. Damit Er dadurch, daß Er die Last des Gesetzes trug, andere vom Gesetze und seiner Last befreie; nach Gal. 4.: „Es sandte Gott seinen Sohn, der unter dem Gesetze Ihm geworden, damit Er jene, die unter dem Gesetze waren, erlöse.“
c) I. Die Beschneidung, welche die fleischliche Vorhaut am Zeugungsgliede entfernte, bezeichnete die Entfernung der alten Sünde, von der wir befreit werden, durch Christi Leiden. Also erst in Christi Leiden und Tod ward diese Figur erfüllt. Vorher hatte das Gesetz noch seine Kraft. II. Christus war damals noch unter dem Gesetze. Wir aber sind nicht mehr unter diesem Gesetze. Wir müssen also das beobachten, was jetzt geboten ist; „denn jede Sache hat ihre Zeit“ (Ekkle. 8.). Außerdem sagt Origenes (hom. 14. in Luc): „Wie wir gestorben sind im Tode Christi und auferstanden in seiner Auferstehung, so sind wir durch Christum beschnitten kraft geistiger Beschneidung und deshalb bedürfen wir keiner fleischlichen.“ Dies sagt auch Paulus (Koloss. 2.): „Ihr seid beschnitten nicht mit der Beschneidung, die man mit der Hand macht in der Entfernung der fleischlichen Vorhaut; sondern in der Beschneidung des Herrn Jesu Christi.“ III. Wie Christus aus freien Stücken den Tod auf Sich nahm, damit wir geistig absterben der Sünde; so ließ Er Sich auch beschneiden, damit Er uns vom Gesetze befreie und in uns die geistige Beschneidung vollziehe.
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