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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 41

Vierter Artikel. Die Ordnung und Art und Weise der Versuchung.

a) Es bestand da keine zukömmliche Ordnung. Denn: I. Die Versuchung leitet zur Sünde an. Es ist dies aber keine
Sünde, dem notwendigen Bedürfnisse des Körpers zu genügen; wie ja auch
später wunderbarerweise der Herr die Brote vervielfältigte. II. Der Teufel stellte Christum auf die Zinne des Tempels, damit
Er Sich hinabstürze. Die Eitelkeit aber, zu welcher der Teufel versuchen
wollte, will höher hinauf. Also war dies keine zukömmliche Versuchung. III. Die eine Versuchung, auf dem Berge nämlich, zielte ab auf
zwei Sünden: die des Götzendienstes und die der Geldgier. Das ist aber
nicht zukömmlich. IV. Sieben sind der Haupt- oder Todsünden. Diese Versuchungen
hier aber zielen nur auf drei Sünden ab: Gaumenlust, Eitelkeit, Geiz.
Also ist die Zahl unzukömmlich. V. Nach dem Siege über alle Laster bleibt dem Menschen die Versuchung zum Hochmute oder zur Eitelkeit, wie Augustin sagt (ep. 211.),
daß „der Hochmut auch den guten Werken nachstellt, daß sie zu Grunde
gehen.“ Hier aber ist die vorletzte Versuchung auf die Eitelkeit gerichtet
und nicht die letzte; also unzukömmlicherweise. VI. Zu Matth. 4. (non in solo pane) sagt Hieronymus: „Christus
wollte den Teufel durch Demut überwinden, nicht durch Macht.“ Also
durfte Er nicht hier am Ende sagen: „Gehe zurück, Satan.“VII. Der Bericht des Evangeliums ist offenbar falsch. Denn Christus konnte nicht auf die Zinne des Tempels gestellt werden, ohne daß Ihn andere unten sahen; und auf der Erde giebt es keinen so hohen Berg, daß man von ihm aus alle Reiche der Welt hätte überblicken können. Auf der anderen Seite steht die Autorität der heiligen Schrift (Matth. 4. und Luk. 4.)

b) Ich antworte; die Versuchung, welche vom Feinde ausgeht, vollzieht sich in der Weise der Überredung. Da wird aber an jener Stelle begonnen, wo man die betreffende Hinneigung bemerkt (Greg. hom. 16. in Evgl.). Den geistigen Menschen also greift der Teufel nicht an mit Versuchungen zu schweren Sünden; sondern er beginnt mit geringfügigen Dingen, daß er zu schwereren fortschreite. Deshalb sagt Gregor der Große (31. moral. 17.): „Gut wird gesagt, daß die Führer ermahnen und daß die Heere wild schreien; denn die ersten Fehler nisten sich im Geiste ein unter einem gewissen vernünftigen Norwande. Die Sünden aber, die ohne Zahl nachfolgen, da sie zu aller Thorheit hinziehen, machen den Geist wie mit tierischem Schreien zu Schanden.“ Und so ging es in der Versuchung beim ersten Menschen. Denn zuerst fragte der Feind, warum sie nicht von der verbotenen Frucht äßen. Dann ging er zur Eitelkeit über, da er sprach: „Und euere Augen werden geöffnet werden.“ Und endlich richtete sich die Versuchung auf den äußersten Hochmut: „Ihr werdet sein wie Gott, wissend das Gute und das Böse.“ Dies war ebenso die Ordnung beim Versuchen des Heilandes. Zu erst nämlich versuchte der Teufel mit Rücksicht auf das, was auch die geistigen Männer begehren; nämlich mit Rücksicht auf die Erhaltung der körperlichen Natur durch Speise. Sodann schritt er vor zu dem, worin geistige Männer bisweilen fallen; daß sie nämlich, um von den Menschen gesehen zu werden, Manches thun, was der eitlen Ruhmgier angehört. Endlich kommt die Versuchung an das, was schon ganz fleischlich ist, daß nämlich sie Reichtum und Ehre suchen bis zur Verachtung Gottes. Und darum heißt es bei den zwei ersten Versuchungen: „Wenn Du der Sohn Gottes bist;“ nicht bei der dritten aber, die nicht mehr geistigen Menschen, Kindern Gottes, zukommt, sondern fleischlichen. Diesen Versuchungen nun widerstand Christus auf Grund der Zeugnisse des Gesetzes; nicht mit der Gewalt seiner Kraft, „damit Er dadurch eben den Menschen mehr ehre und den Gegner mehr strafe, daß der Feind des Menschengeschlechtes nicht so sehr von Gott wie von einem Menschen überwunden würde,“ wie Leo der Große sagt (serm. 1. Quadr. c. 3.).

c) I. Der Gebrauch des Notwendigen ist nicht Gaumenlust; aber, damit man das Notwendige habe etwas Ungeregeltes thun, dies kann zur Gaumenlust gehören. Es ist nun etwas Ungeregeltes, daß jemand, wo menschliche Mittel hinreichen, um den Körper zu erhalten, von Gott die Wirkung eines Wunders verlangt. Deshalb gewährte der Herr den Kindern Israels wunderbarerweise Manna in der Wüste, wo nichts Anderes zu haben war; und aus dem gleichen Grunde vermehrte der Herr durch ein Wunder die Brote. Christus aber hatte menschliche Mittel bei der Hand, um dem Hunger zu begegnen, wie ja Johannes der Täufer sich in der Wüste nährte; oder Er konnte zu den nächstgelegenen Orten gehen. Und deshalb meinte der Teufel, es würde Sünde sein, wenn Christus aus Verlangen nach Speise versuchen wollte, Wunder zu wirken; vorausgesetzt daß Er bloßer Mensch sei. II. Durch äußerliche Demütigung sucht mancher oft eitlen Ruhm mit
Rücksicht auf die geistigen inneren Güter; wie Augustin sagt (2. de serm.
Domini in Monte), „daß nicht nur im Glanze und im Pompe der körperlichen Dinge jemand eitlen Ruhm suchen kann, sondern auch in Schmutz
und Ärmlichkeit.“ Das drückte der Teufel aus, als er Christum aufforderte,
sich körperlich herabzustürzen, damit Er geistigen Ruhm gewinne. III. Daß man ungeregelterweise Ehre und Reichtum sucht, wird
besonders dadurch offenbar, daß man um dessentwillen etwas Unerlaubtes
thut. Deshalb leitete der Teufel den Herrn an, nach Reichtum und Ehre
vor der Welt so zu streben, daß Er ihn zuerst wie als die Vorbedingung
dazu anbete. Und er sprach nicht nur: „Wenn Du mich anbetest;“ sondern
er fügte hinzu: „Wenn Du niederfällst.“ Denn „diese Gefahr ist,“ wie
Ambrosius zu Luk. 4. sagt, „auf das innigste und natürlichste mit dem
Ehrgeize verbunden; daß derjenige, der danach begehrt anderen zu befehlen,
zuerst kriecht; er krümmt sich im Dienste, damit er mit Ehre beschenkt werde;
und während er an Hohes denkt, erniedrigt er sich.“ Und zudem hat sich der Teufel bemüht, auf Grund des Begehrens nach der einen Sünde zur anderen anzuleiten, wie er aus dem Verlangen nach Speise anleitete zur Eitelkeit; und aus der Begierde nach eitlem Ruhme zur Sünde, Gott zu versuchen durch das Hinabfallen in die Tiefe. IV. Nach Ambrosius (l. c.) sagte Lukas: „nachdem die ganze Versuchung vorbei war,“ weil in diesen drei Versuchungen der Stoff für alle
Sünden enthalten ist: nämlich die fleischliche Ergötzlichkeit, die Begierde
nach Ruhm, das Verlangen nach Macht. V. Nach Augustin (2. de cons. Evaang. 16.) „ist es ungewiß, was
zuerst geschehen sei; ob zuerst die Reiche der Welt gezeigt worden sind und
darauf man Ihn gestellt hat auf die Zinne des Tempels oder umgekehrt;
darauf kommt es aber nicht an, da doch offenbar Alles wirklich so geschehen
ist.“ Die Evangelisten scheinen durch die verschiedene Reihenfolge haben
anzeigen wollen, daß man bisweilen aus der eitlen Ruhmgier zur Begier
nach Macht gelangt und bisweilen das Umgekehrte der Fall ist. VI. Als der Teufel Christum beleidigte und sagte: „Wenn Du der
Sohn Gottes bist, stürze Dich hinab,“ hat ihn der Heiland nicht herrisch
angefahren. Als aber der Teufel die Ehre Gottes sich anmaßte mit den
Worten: „Dies Alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich
anbetest,“ da trieb Er ihn mit einem Machtworte zurück. Wir nämlich
sollen die uns angethaenen Beleidigungen gleichmütig tragen; Beleidigungen
Gottes aber nicht einmal anhören wollen. VII. „Vielleicht,“ so Chrysostomus (in op. imp. hom. 5.), „nahm
der Teufel den Gottessohn so, daß dieser auf der Zinne des Tempels hätte
von allen gesehen werden können. Christus aber that, ohne daß der Teufel
dies wußte, in der Weise, daß niemand ihn sah.“ Nicht so schließlich zeigte
dem Herrn der Teufel die Reiche der Welt und ihre Städte und Völker,
ihr Gold und Silber, daß dies Alles selbst gesehen wurde; sondern Teile der
Erde zeigte er Ihm, in welchem jedes Reich oder jede Stadt gelegen ist,
gleichsam mit dem Finger und erzählte Ihm von den Reichtümern und
dem Glanze in einem jeden. Oder nach Origenes (hom. 30. in Luc.)
zeigte er Ihm, wie er, der Teufel, durch die verschiedenen Sünden herrsche
in der Welt.

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