Zweiter Artikel. Christus wirkte seine Wunder vermöge der göttlichen Kraft.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Die göttliche Kraft ist die Allmacht. Im Wirken der Wunder aber war Christus nicht allmächtig, nach Mark. 6.: „Er konnte daselbst,“ nämlich in seiner Vaterstadt, „kein Wunder wirken.“ II. Gott betet nicht. Christus aber betete, ehe Er den Lazarus auferweckte (Joh. 11.) und die Brote vermehrte (Matth. 14.). III. Was Christus that, konnte auch mit Hilfe kreatürlicher Kräfte geschehen; wie Luk. II. es heißt, „Er treibt die Teufel aus durch den obersten der Teufel.“ Was aber durch Gottes Allmacht allein geschieht, das kann nicht von einer kreatürlichen Kraft aus geschehen. Auf der anderen Seite sagt der Herr (Joh. 14.): „Der Vater, der in mir bleibt, macht die Werke.“
b) Ich antworte, ein wahres Wunder könne nur von Gottes Kraft gewirkt werden; denn zum Charakter eines Wunders gehört es, daß es absehend vom Laufe der Natur geschieht. Diesen aber ändern kann nur Gott. Deshalb sagt Leo der Große (ad Flav. ep. 28.): „In Christo sind zwei Naturen: auf Grund der einen (der göttlichen) wirkt Er Wunder; auf Grund der anderen (der menschlichen) unterliegt Er dem Leiden;“ so zwar, daß die menschliche Natur wie das lebendige Werkzeug der göttlichen ist (Kap. 13, Art. 3.).
c) I. Dies bezieht sich nicht auf die Macht, sondern auf die Zukömmlichkeit. Deshalb steht dabei: „Und Er war verwundert über deren Ungläubigkeit.“ So wird Gen. 18. gesagt: „Kann ich denn dem Abraham verbergen was ich thun will;“ und Gen. 19.: „Ich kann hier nichts thun, solange du da hineintrittst.“ Es war nicht zukömmlich, Wunder zu wirken vor derartig ungläubigen. II. Chrysostomus antwortet darauf (hom. 50. in Matth.): „Es sollte geglaubt werden, daß Er vom Vater ist und daß Er dem Vater gleich ist. Damit Er also Beides zeige, wirkt Er bald mit voller Macht Wunder bald unter Gebet. Und zwar blickt Er bei den kleineren Wundern gen Himmel, wie bei der Brotvermehrung; in den größeren handelt Er mit voller eigenster Macht, wie wenn Er Sünden nachläßt, Tote auferweckt etc.“ Bei der Auferstehung des Lazarus aber steht ausdrücklich dabei: „Wegen des Volkes, welches umhersteht, habe ich dies gesagt; damit sie glauben, daß Du mich gesandt hast.“ III. Christus trieb in anderer Weise die Teufel aus. Denn kraft der höheren Teufel werden die Körper von den Teufeln in der Weise befreit, daß die Seele unter deren Herrschaft verbleibt; da nicht der Teufel gegen seine eigene Herrschaft wirkt. Deshalb weist der Herr, als Er dieLästerungen der Pharisäer widerlegte, darauf hin, 1. daß der Satan nicht gegen sich selbst geteilt ist; 2. auf das Beispiel der anderen, die ja auch Teufel austrieben; 3. daß Er nicht den Teufel austreiben könnte, wenn Er ihn nicht durch göttliche Kraft überwunden hätte; 4. daß gar keine Übereinstimmung im Gewirkten stattfinde zwischen Ihm und Satan; da dieser zerstreue. Er aber sammle.
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