Vierter Artikel. Die durch Christum gewirkten Wunder thaten genügend seine Gottheit dar.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Gott und Mensch zugleich sein, ist eigen Christo. Die von Christo gewirkten Wunder aber wurden auch sonst von anderen gewirkt. Also zeigten sie nicht genügend auf seine Gottheit. II. Nichts ist größer wie die göttliche Kraft in Person. Andere aber wirkten größere Wunder wie der Herr, nach Joh. 14.: „Wer an mich glaubt, wird die Werke thun, die auch ich thue und größere als diese wird er thun.“ III. Aus einer besonderen Thatsache wird nicht genügend eine allgemeine Kraft offenbar. Jedes Wunder Christi aber war eine einzelne besondere Thatsache. Also von keinem derselben aus konnte die göttliche Kraft in Christo gezeigt werden, die da Gewalt hat über Alles. Auf der anderen Seite sagt der Herr (Joh. 5.): „Die Werke, die mir der Vater gab, daß ich sie thue, geben Zeugnis von mir.“
b) Ich antworte, die von Christo gewirkten Wunder thaten genügend die Gottheit Christi dar wegen dreierlei: 1. Auf Grund des Wesenscharakters dieser Werke selbst, welche alle geschaffene Kraft überstiegen. Deshalb sagte der geheilte blindgeborene (Joh. 9.): „Niemals ist es erhört worden, daß jemand die Augen öffnete einem blindgeborenen; wenn dieser nicht von Gott wäre, so könnte Er nicht so etwas machen.“ 2. Auf Grund der Art und Weise, wie der Herr die Wunder wirkte; denn aus eigener Kraft machte Er sie, nicht infolge von Gebet, wie die anderen; wie Luk. 6. darauf hingewiesen wird: „Eine Kraft ging von Ihm aus und heilte alle.“ Deshalb sagt Cyrillus (12. Thesaur. c. 14.): „Er entnahm nicht von anderswoher seine Kraft; denn da Er von Natur Gott war, breitete Er seine eigene Kraft über die anderen aus; und wirkte darum zahllose Wunder.“ „Gebet acht,“ ruft Chrysostomus den gläubigen zu (28. in Matth.), „eine wie große Menge geheilter Menschen die Evangelisten beiseite lassen, die da mit einem einzigen Worte auf ein wahres unaussprechliches Meer von Wundern hinweisen.“ Daraus ging hervor, daß Er eine dem Vater gleiche Kraft besaß, nach Joh. 5.: „Was auch immer der Vater thut, das wirkt der Sohn in ähnlicher Weise“ … „Wie der Vater tote erweckt, so giebt das Leben der Sohn wem Er will.“ 3. Auf Grund der Lehre selber, wonach Er lehrte. Er sei Gott selber und die somit durch Wunder bestätigt werden mußte, welche der göttlichen Kraft allein geziemen. Deshalb heißt es Mark. 1.: „Was ist das für eine neue Lehre, welche mit Macht den unreinen Geistern befiehlt, und sie gehorchen?“
c) I. Dies war der Einwurf der Heiden, nach Augustin (ep. 137.): „Durch keine dementsprechende Wunder wurde eine so große Majestät angezeigt; denn jene Reinigung, kraft deren Er die Teufel austrieb, die Heilungen der kranken, das Auferwecken von toten und andere dergleichen sind etwas Geringes für Gott.“ Darauf antwortet Augustin: „Wir gestehen zu, solche Wunder haben auch die Propheten gethan. Aber Moses selbst und die Propheten, waren sie nicht Propheten eben des Herrn Jesus und gaben sie nicht Ihm alle Ehre? Der Herr wollte darum ebenfalls solcheZeichen in Person wirken, damit es nicht thöricht erscheine, dergleichen von anderen durch seine Kraft thun zu lassen und sie selber nicht zu thun. Jedoch hat Er auch ganz und gar Ihm allein Eigenes gethan: Er ward geboren von einer Jungfrau, stand von den toten auf, fuhr gen Himmel. Wer da meint, dies sei gering für Gott; der soll sagen, was Größeres er noch erwarte. Hätte Er denn als Mensch eine andere Welt machen sollen, damit wir glaubten, Er sei es, durch den die Welt gemacht worden ist? Aber weder eine größere noch eine dieser gleiche Welt hätte in dieser gegenwärtigen gemacht werden können. Würde Er aber eine Welt machen kleiner als diese, so möchten sie wieder sagen, dies sei zu gering für Gott.“ Was aber andere thaten, das that der Herr in hervorragenderer Weise, nach Joh. 15.: „Wenn ich nicht in ihnen Werke gethan hätte, die kein anderer noch gethan hat;“ wozu Augustin (tract. 91. in Joan.) erklärt: „Es möchten wohl unter Christi Werken keine größeren sein wie die Auferweckung von toten; und doch haben dies auch Propheten gethan. Trotzdem aber machte Christus Manches, was kein anderer that. Man erwidert uns, auch andere hätten gethan was keiner außer sie. Daß aber einer von den alten Propheten mit solcher Macht so viele Laster, Krankheiten, Besessenheiten heilte, wird von keinem gelesen. Damit ich davon schweige, daß Er durch Gebet die einzelnen heilte, so sagt doch Markus, daß, in welchen Ort auch immer Er eintrat oder in welchen Flecken oder in welche Stadt, sie die kranken auf den Markt brachten und Ihn baten. Er möge wenigstens gestatten, daß sie den Saum seines Kleides berührten; und wie viele Ihn berührten, wurden heil. Das hat niemand gethan in ihnen. Denn so ist zu verstehen, was Er da sagt: in ihnen, nicht unter ihnen, nicht vor ihnen, sondern in ihnen, weil Er sie heilte. Und auch Alles zugegeben, was der Einwurf sagt, so hat niemand solche Werke gethan wie Er, weil Er in den anderen es that; nämlich durch seine Kraft thaten sie es. So hat Er aber nicht gethan, als ob jene in Ihm es thäten, nämlich Er durch deren Kraft heilte.“ II. Dazu erklärt Augustin (tract. 71.): „Soll darunter verstanden werden, daß der Schatten der vorübergehenden Apostel heilte? Denn mehr ist es, durch den einfachen Schatten zu heilen wie durch die Berührung des Saumes am Gewande. Als jedoch Christus dies sagte, wollte Er als seine Werke und Thaten seine Worte selber empfehlen. Denn Er sprach: Der Vater, der in mir bleibt, Er selber thut meine Werke; welche? wenn nicht die Worte, die Er eben sprach? Und die Frucht dieser Worte war ihr Glaube. Als aber die Apostel predigten, glaubte nicht eine so geringe Zahl von Menschen, wie sie selbst waren, sondern die Heidenvölker sogar … Oder ging nicht jener reiche traurig von Ihm fort, welcher Ihn um Rat gefragt, wie er das ewige Leben besitzen könne? Und siehe; wie viele thaten dies später, was jener gehört hatte, als die Jünger predigten und durch sie Christus. Siehe; Größeres that Er, als Er gepredigt wurde von denen, die Ihm geglaubt hatten, als da Er sprach zu den hörenden. Dies aber stößt noch an, daß Er dieses Größere durch die Apostel that. Nicht jedoch sie allein hat Er bezeichnen wollen, als Er sagte: Wer an mich glaubt, wird die Werke thun, die ich thue und noch größere. Höre also und verstehe: Wer an mich geglaubt, wird die Werte thun, die ich thue: Zuerst thue ich sie und dann wird Er sie thun; weil ich sie durch Ihn thun werde. Welche Werke? Nicht diese daß aus dem Sünder ein gerechter werde? Das geschieht in Christo; aber nicht Christus wirkt ohnejenen. Größeres jedenfalls nenne ich dies, wie den Himmel und die Erde schaffen. Denn Himmel und Erde werden vergehen; der vorherbestimmten Heil und Rechtfertigung aber wird bleiben. Im Himmel jedoch sind die Engel noch Werke Christi. Macht, wer mit Christo mitwirkt, zu seiner eigenen Rechtfertigung noch Größeres wie sie sind? Urteilen möge wer kann was größer ist: Gerechte schaffen oder ungerechte gerecht machen. Und wenn auf beiden Seiten gleich ist die Macht; hier ist größer die Barmherzigkeit. Daß wir alle Werke Christi verstehen unter diesem Ausdrucke: er wird größere machen, dazu zwingt nichts. Denn vielleicht meinte Er diejenigen Werke, die Er zu jener Zeit machte. Damals aber machte Er Worte des Glaubens. Und gewiß minder ist es, Worte der Gerechtigkeit zu predigen, was Er wegen uns that; wie die Sünder zu rechtfertigen, was Er so in uns thut, daß wir es mit Ihm thun.“ III. Wenn ein solches einzelnes besonderes Werk einem einzelnen handelnden eigens zugehört, dann offenbart es die ganze Kraft desselben. So ist vernünftig schließen eigen dem Menschen; und so zeigt jeder einzelne vernünftige Schluß an, daß dies ein Mensch sei. Und ähnlich zeigte Christus in jedem Wunder, daß Er Gott sei.
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