Erster Artikel. Es war zukömmlich, daß Christus starb.
a) Dies war nicht zukömmlich. Denn: I. Was das Erste ist und somit an erster Stelle steht im Bereiche einer Seinsart, kann nie das Gegenteil sein; wie das Feuer nie kalt ist.Der Sohn Gottes aber ist der Quell alles Lebens, nach Ps. 35.: „Bei Dir ist der Quell des Lebens.“ Also ist es nicht zukömmlich, daß Er sterbe. II. Größer ist der mit dem Tode verbundene Mangel wie der von einer Krankheit herrührende. Christo aber geziemte es nicht, krank zu sein (Chrysost., siehe Kap. 46, Art. 3.); also noch weniger, zu sterben. III. Der Herr sagt (Joh. 10.): „Ich bin gekommen, daß sie Leben und überfließendes Leben haben.“ Dazu führt aber nicht der Tod. Auf der anderen Seite heißt es Joh. 11.: „Es ist euch nützlich, daß ein einziger Mensch sterbe für das Volk, damit nicht das ganze Volk zu Grunde gehe.“ Diese Worte sagte aber Kaiphas prophetisch.
b) Ich antworte, es sei zukömmlich gewesen, daß Christus sterbe: 1. Um genugzuthun für das Menschengeschlecht, welches nach Gen. 2, 17. dem Tode verfallen war; wie Petrus (1, 3.) sagt: „Christus ist gestorben für unsere Sünden;“ — 2. um die Wahrhaftigkeit der angenommenen menschlichen Natur zu zeigen, wie Eusebius (laud. Constant, c. 15.) schreibt: „Wenn Christus, nachdem Er mit den Menschen verkehrt hätte, plötzlich verschwunden wäre fliehend den Tod, so würde Er von allen für ein Phantasiegebilde gehalten worden sein;“ — 3. um uns durch seinen Tod von der Todesfurcht zu befreien; nach Hebr. 2.: „Er nahm teil an unserem Fleische und Blute, damit Er durch den Tod vernichte jenen, der durch den Tod herrschte (nämlich den Teufel) und befreie diejenigen, die der Knechtschaft aus Furcht vor dem Tode unterlagen;“ — 4. um durch seinen leiblichen Tod uns das Beispiel zu geben, daß wir geistig der Sünde abstürben, deren Ähnlichkeit der Tod ist; wie Paulus sagt (Röm. 6.): „Daß Er für die Sünde gestorben ist, das geschah einmal; daß Er aber lebt, das gehört Gott an. So auch sollt ihr abgestorben sein der Sünde und Gott allein angehören und Ihm leben;“ — 5. um durch seine Auferstehung seine den Tod überwindende Kraft zu zeigen und uns die Hoffnung zu geben, ebenfalls aufzuerstehen; danach sagt der Apostel (1. Kor. 15.): „Wenn Christus gepredigt wird, daß Er auferstanden ist von den toten; wie können einige unter euch sagen, es gäbe keine Auferstehung der toten!“
c) I. Als Gott ist Christus Quell alles Lebens; als Mensch ist Er gestorben. Deshalb sagt Augustin (cont. Felician. 14.): „Fern sei es, zu meinen, Christus habe so den Tod sich angeeignet, dah Er, insoweit Er in Sich selber Leben ist, das Leben verloren habe; denn wäre dies geschehen, so wäre ausgetrocknet der Quell des Lebens. Er fühlte also den Tod auf Grund der Teilnahme am menschlichen Wollen und hatte von freien Stücken denselben auf Sich genommen. Er verlor dabei nicht die Macht jener Natur, die Alles lebendig macht.“ II. Christus nahm nicht den aus einer Krankheit folgenden Tod an, damit es nicht den Anschein habe als stürbe Er notwendigerweise infolge der Schwäche der Natur. Einen gewaltsamen Tod litt Er, damit sein Tod als ein freiwilliger dastehe. III. Das, was kalt ist, kann manchmal auf Grund von etwas Äußerlichem warm machen, wenn auch nicht seinem inneren Wesen nach. Und so hat Christus durch seinen Tod uns zum Leben geführt, indem sein Tod den unsrigen zerstörte; wie jener, der die Strafe für einen anderen erträgt, dessen Strafe entfernt.
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