Vierter Artikel. Nach Christo mußten ebenfalls Sakramente bestehen.
a) Es durften deren keine bestehen. Denn: I. Wenn die Wahrheit kommt, weicht zurück die Figur. „Gnade und Wahrheit aber ward durch Jesum Christum gemacht“ (Joh. 1, 17.). Da also die Sakramente Zeichen oder Figuren der Wahrheit sind, durften nach Christo keine Sakramente sein. II. Die Sakramente bestehen wesentlich in einigen Elementen. Nach Gal. 4. aber „waren wir, als wir klein waren. Knechte der Elemente dieser Welt.“ Da wir jetzt nun in der Fülle der Zeiten uns befinden, so bedürfen wir keiner Sakramente. III. Nach Jakob. 1. „ist bei Gott keine Änderung und nicht der Schatten eines Wechsels.“ Dies aber scheint einen Wechsel im göttlichen Willen zu bezeichnen, daß nun andere Sakramente bestehen sollen wie im Alten Bunde, immer aber zu dem einen Zwecke, die Menschen zu heiligen. Also mußten mindestens die nämlichen Sakramente bleiben. Auf der anderen Seite schreibt Augustin gegen Faustus (19, 13.): „Die Sakramente des Alten Bundes sind entfernt, weil erfüllt. Andere sind eingesetzt voll höherer Kraft, von größerem Nutzen; geringer zwar an Zahl, leichter aber um gespendet und empfangen zu werden.“
b) Ich antworte; wie die Altväter gerettet worden sind durch den Glauben an den kommenden Heiland, so werden wir heil durch den Glauben an den bereits gekommenen. Da nun die Sakramente Zeichen sind, durch welche der Mensch seinen Glauben an Christum, durch den er gerechtfertigt wird, bekennt, so müssen es andere Zeichen sein, die das Zukünftige, und andere, die das Vergangene ausdrücken. „Dieselbe Sache,“ sagt Augustin (1. c.), „wird anders angekündigt, wenn sie geschehen soll als wenn sie geschehen ist; wie ja auch das „er wird leiden“ eine andere Redeform ist wie das „er hat gelitten“. Andere Sakramente also müssen es sein, durch welche im Neuen Bunde bezeichnet wird das, was in Christo vorhergegangen ist; wie jene im Alten Bunde, welche dieses selbe als zukünftig hinstellten.
c) I. Nach Dionysius (5. eccl. hier.) ist der Stand der Gnade in der Mitte zwischen dem Stande des Alten Gesetzes und dem der Herrlichkeit, wo die Wahrheit nackt und ganz vollkommen erscheinen wird. Dann werden keinerlei Sakramente bestehen. Jetzt aber erkennen wir „durch den Spiegel in Rätseln“; und so bedürfen wir des Sinnlichen, um zur Kenntnis des Geistigen zu gelangen. II. Der Apostel nennt da die Sakramente des Alten Bundes „dürftigeund schwache Elemente“, weil sie weder Gnade enthielten noch verursachten. Sie gehörten also ganz der Welt an. Unsere Sakramente aber enthalten Gnade und verursachen sie. Somit ist da keine Ähnlichkeit. III. Ein Familienvater hat nicht deshalb einen veränderlichen Willen, wenn er seinen Söhnen im Kindesalter andere Gebote giebt wie im erwachsenen Alter; andere im Winter und andere im Sommer. Und so ist Gottes Wille nicht deshalb als veränderlicher dargethan, daß Er durch andere Sakramente die zukünftig kommende Gnade bezeichnet und durch andere die bereits bestehende.
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