Dritter Artikel. Der Umfang der Verschuldung in den früheren Sünden, welche nach einer neuen Todsünde zurückkehrt.
a) Diese Verschuldung ist dem Umfange nach gerade so groß, wie sie vorher war. Denn: I. Die Größe des Undanks bemißt sich nach der Größe der Sünde, die nachgelassen war. Also ist die auf Grund des Undanks wiederkehrende Verschuldung gerade so groß wie die frühere. II. Mehr sündigt, wer Gott wie wer einen Menschen beleidigt. Der freigelassene Sklave aber wird, wenn er sich verfehlt, wieder in die nämliche Knechtschaft zurückgeführt, aus welcher er befreit worden oder auch in eine schwerere. Wer also nach der Befreiung von der Todsünde gegen Gott sündigt, steht wieder unter einer ebenso großen Verschuldung von Strafe wie früher. III. Matth. 18. steht: „Der erzümte Herr übergab ihn (den undankbaren) den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.“ Also kommt von einer nachfolgenden Sünde, dem Umfange nach, ganz die gleiche Verschuldung her wie von allen vorhergegangenen, die nachgelassen worden. Auf der anderen Seite heißt es Deut. 25.: „Nach dem Maße der Sünden wird sein das Maß der Strafe.“ Also aus einer kleineren Sünde folgt nicht eine umfangreichere Verschuldung. Nun ist manchmal die nachfolgende Sünde geringer wie eine jede der vorhergehenden. Also folgt da nicht die nämliche Verschuldung wie früher.
b) Ich antworte, manche meinten, der Undank eben mache, daß die Verschuldung so groß sei wie vorher. Doch dies ist nicht notwendig. Denn die Verschuldung der verziehenen Sünden kehrt nicht zurück, insoweit sie verursacht ist durch die vergangenen Sündenakte; sondem insoweit sie verursacht ist durch den nachfolgenden Sündenakt. Also der Umfang der Verschuldung richtet sich nach der Schwere der nachfolgenden Sünde. Es kann freilich die Schwere dieser nachfolgenden Sünde gleichkommen der Schwere aller vorhergehenden Sünden. Aber es ist dies nicht notwendig; sei es daß man die Gattung betrachtet, wie z. B. die nachfolgende Sünde einfache Unkeuschheit sein kann, während die vorhergingen, Ehebruchssünden waren, sei es daß man den Umstand des Undankes erwägt. Denn gegenüber der nämlichen Wohlthat kann der eine mehr der andere weniger dem Grade nach undankbar sein; und der eine kann mehr, der andere weniger den Wohlthäter verachten, insoweit er mehr oder minder gegen ihn handelt. Es besteht da nur eine verhältnismäßige Gleichheit, insoweit desto schwerer der Undank ist je größer die Wohlthat. Also nicht der gleiche Umfang der Verschuldung kehrt wieder nach der neuen folgenden Sünde; sondern dem Verhältnisse nach. Je mehr oder schwerer die früheren Sünden waren, also je größer die Wohlthat war von seiten Gottes; desto größere Verschuldung kehrt zurück nach einer neuen Sünde.
c) I. Der Umfang der Wohlthat des Nachlasses der Sünden ist genau der gleiche wie der in den früher begangenen Sünden. Die Sünde des Undankes aber hat ihren Umfang nicht schlechthin gemäß dem Umfange der Wohlthat, sondern gemäß dem Umfange der Verachtung oder der Beleidigung; wie oben gesagt. II. Auch der freigelassene Knecht wird nicht für jede Schuld in die alte Knechtschaft zurückgeführt, sondern für eine sehr schwere. III. Der Umfang der vorhergehenden Sünden findet sich dem Verhältnisse nach (proportionaliter) wieder in dem nachfolgenden Undanke; es ist nicht genau der gleiche. Danach bezahlt der ruchlose Knecht die ganze Schuld.
