Zweiter Artikel. Das Genießen ist der vernünftigen Kreatur in vollendeter weise eigen, den Tieren in unvollendeter.
a) Dagegen scheinen die Menschen allein genießen zu können. Denn: I. Augustin (I. de doct. ch. 3. et 22.) schreibt: „Wir sind Menschen, die wir genießen und gebrauchen.“ II. Das Genießen berücksichtigt nur den letzten Zweck, zu dem die Tiere nicht gelangen. III. Wie das sinnliche Begehrvermögen unter dem vernünftigen steht, so das rein natürliche unter dem sinnlichen. Gehört also das Genießen dem sinnlichen Begehrvermögen an, so könnte es in gleicher Weise auch der rein natürlichen Hinneigung angehören, was falsch ist. IV. Auf der anderen Seite sagt Augustin (83. Qq. 30.): „Es ist durchaus nicht absurd zu meinen, daß auch die Tiere sich am Genusse von Speise und dergleichen körperlichen Genüssen.erfreuen.“
b) Ich antworte: Aus dem Vorgesagten ergiebt sich, daß Genießen nicht die Thätigkeit jenes Vermögens ist, welches als das ausführende den Zweck erfaßt, sondern jenes anderen, das diese Ausführung anbefiehlt. Denn das Genießen geht das Begehrungsvermögen an. In den aller Kenntnis ermangelnden Dingen nun wird wohl ein Vermögen oder eine Kraft gefunden, welche den vorliegenden Zweck als eine ausführende erreicht, wie das Schwere nach der Tiefe zu fällt. Ein Vermögen aber, welches befiehlt oder es auflegt, den Zweck zu erfassen, besteht nicht innerhalb dieser Dinge; ein solches ist vielmehr in einer höheren Natur, welche durch ihr Gebot die ganze betreffende Natur in ähnlicher Weise in Thätigkeit setzt oder bewegt, wie in den mit Erkenntniskraft ausgestatteten Wesen die Begehrkraft alle anderen Vermögen und Kräfte zu deren Thätigkeit hin bewegt.Also findet sich ein Genießen zuvörderst nur in den mit Erkenntniskraft ausgestatteten Wesen, wenn auch die erkenntnislosen Wesen zu ihrem Zwecke ebenfalls gelangen. Die Erkenntnis des Zweckes aber ist eine doppelte: eine vollkommene, die nicht nur erkennt das, was ein Gut oder was Zweck ist, sondern auch den allgemeinen Grund dafür, daß etwas ein Gut oder Zweck sei; — und eine solche Kenntnis ist nur der vernünftigen Kreatur eigen. Dann giebt es eine unvollkommene Kenntnis, welche nur auf ein besonderes, beschränktes Gut sich richtet; — und eine solche Kenntnis ist auch den Tieren eigen, in denen zugleich die begehrenden Kräfte nicht mit Freiheit befehlen, sondern kraft natürlichen Antriebes oder Instinktes zu dem hinbewegt werden, was sie erfassen. Ein vollkommenes Genießen kommt daher nur der vernünftigen Kreatur zu; ein unvollkommenes auch den Tieren.
c) I und IV erledigen sich gemäß dem vollkommenen und unvollkommenen Genießen; in I spricht Augustin vom ersten; in IV vom unvollkommenen, weshalb da auch steht: „es ist nicht adeo absurdum,“ nämlich von den Tieren das Genießen auszusagen, wie es absurd wäre, ihnen ein„Gebrauchen“, ein uti, ein Beziehen des einen Dinges zum anderen wie des Mittels zum Zwecke zuzuschreiben. II. Genießen braucht nicht so im allgemeinen immer den letzten Zweck zu betreffen; sondern das, was von einem jeden Wesen als letzter Zweck betrachtet wird. III. Die sinnliche Begehrkraft folgt einer gewissen Kenntnis; nicht aber die rein natürliche Hinneigung, zumal in den der Erkenntnis baren Dingen.
