7.
Würdet ihr mir nicht entgegnen, daß ich von der Beschauung rede, so wäre es bei dieser Bitte ganz am Platze, einiges vom Beginn der reinen Beschauung zu sagen, der von denen, die bis dahin gelangt sind, Gebet der Ruhe genannt wird. Da ich aber, wie gesagt, vom mündlichen Gebete spreche, so könnten jene, die das Gebet der Ruhe noch nicht gekostet haben, meinen, das eine schicke sich nicht zum anderen. Indessen weiß ich, daß beides sich gar wohl vereinigen läßt. Darum verzeiht mir, wenn ich trotz des vorgebrachten Bedenkens vom erwähnten Gebete sprechen will; denn ich weiß, daß es, wie schon erwähnt, viele Personen gibt, die der Herr unter dem mündlichen Gebet unvermerkt zu hoher Beschauung erhebt. So kenne ich eine Person, die nie anders als nur mündlich beten konnte; bei diesem Gebete fand sie alles. Betete sie nicht mündlich, dann verlor sich ihr Verstand derart, daß es ihr unerträglich war. Ich wünschte nur, wir alle möchten das innerliche Gebet so verrichten wie diese Seele das mündliche. Mit einer gewissen Anzahl Vaterunser zu Ehren der Blutvergießungen des Herrn und wenigen anderen mündlichen Gebeten brachte sie zuweilen mehrere Stunden zu. Einmal kam sie ganz betrübt zu mir und klagte darüber, daß sie weder innerlich beten, noch der Beschauung obliegen, sondern nur das mündliche Gebet üben könne. Ich fragte sie, was sie denn mündlich bete, und fand, daß sie, während sie ihre Vaterunser betete, in die reine Beschauung einging und vom Herrn zur Vereinigung mit ihm erhoben wurde. Da ihr Leben sehr musterhaft war, so konnte man schon aus ihren Werken entnehmen, daß sie so großer Gnaden teilhaftig wurde. Ich pries den Herrn und beneidete sie um ihr mündliches Gebet. Ist dieser Fall wahr — und er ist es wirklich —, so dürft ihr als Feinde der Beschauung nicht meinen, es werde euch diese Gebetsweise versagt, wenn anders ihr die mündlichen Gebete in gebührender Weise verrichtet und ein reines Gewissen bewahrt.
