25. Kap. Die kanonischen Bücher nach Origenes.
Bei Auslegung des ersten Psalmes gibt Origenes ein Verzeichnis der heiligen Bücher des Alten Testamentes. Er schreibt wörtlich also: ,,Es ist zu bemerken daß es nach der Überlieferung der Hebräer 22 biblische Bücher gibt, entsprechend der Zahl der hebräischen Buchstaben.“ Etwas später fährt er also fort: „Die 22 Bücher sind nach den Hebräern folgende:
- Unsere sog. Genesis, welche bei den Hebräern nach dem ersten Worte des Buches Βρησιθ,1 d. i. ‚Am Anfange’ betitelt wird;
- Exodus, Ουελλεσμωθ; d. i. ‚Dies sind die Namen’;
- Leviticus, Ουικρα, Und er rief’;
- Numeri, Αμμεσφεκωδειμ2
- Deuteronomium, Ἐλλεαδδεβαρειμ, „Dies sind die Worte“;
- Josua, Sohn des Nave, Ιωσουεβέννουν;
- Richter und Ruth, bei den Hebräern in einem einzigen Buche: Σωφτειμ;
- 1. und 2. Buch der Könige, bei den Hebräern in einem einzigen Buche: Σαμουηλ, (d. i.) ‚Der von Gott Berufene’;
- 3. und 4. Buch der Könige, in einem einzigen Buche: Ουαμμελχδαυιδ d. i. „Regierung Davids“;
- 1. und 2. Buch Paralipomenon, in einem einzigen Buche: Δαβρεϊαμειν d. i. ‚Geschichte der Tage’;
- 1. und 2. Buch Esra, in einem einzigen Buche: Εζρα d. i. „Helfer“;
- Buch der Psalmen, Σφαρθελλειμ;
- Sprüche Salomons, Μελωθ;
- Ekklesiastes, Κωελθ;
- Das Hohe Lied (nicht, wie einige vermuten: die Hohen Lieder), Σιρασσιρειμ;
- Isaias, Ιεσσια;
- Jeremias mit den Klageliedern und dem Briefe, in einem einzigen Buche: Ιερεμια;
- Daniel, Δανιηλ; S. 293 Ezechiel, Ιεζεκιηλ;
- Job, Ιωβ;
- Esther, Εσθηρ.
- Außerdem noch die Geschichte der Makkabäer, die den Titel hat: Σαρβηθσαβαναιελ3 Diese Schriften zählt Origenes in dem erwähnten Kommentare auf. In dem ersten Buche seines Matthäuskommentares bezeugt er in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Kanon, daß er nur vier Evangelien kenne. Er schreibt: „Auf Grund der Überlieferung habe ich bezüglich der vier Evangelien, welche allein ohne Widerspruch in der Kirche Gottes, soweit sie sich unter dem Himmel ausbreitet, angenommen werden, erfahren: Zuerst wurde das Evangelium nach Matthäus, dem früheren Zöllner und späteren Apostel Jesu Christi, für die Gläubigen aus dem Judentum in hebräischer Sprache geschrieben, als zweites das Evangelium nach Markus, den Petrus hierfür unterwiesen hatte und den er in seinem katholischen Briefe als seinen Sohn bezeichnet mit den Worten: ‚Es grüßt euch die auserlesene Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn’.4 Als drittes wurde geschrieben das Evangelium nach Lukas, der es nach Approbation durch Paulus an die Gläubigen aus der Heidenwelt richtete, zuletzt das Evangelium nach Johannes.“ Im fünften Buche seines Kommentares zum Johannesevangelium äußert sich Origenes über die Briefe der Apostel also: „Paulus, der befähigt worden war, dem Neuen Bunde nicht des Buchstabens, sondern des Geistes5 zu dienen, und der das Evangelium von Jerusalem und Umgebung bis Illyrien vollendet hat,6 schrieb keineswegs an alle Gemeinden, die er unterwiesen hatte, ja er richtete auch an die, welchen er schrieb, nur einige S. 294 Zeilen. Petrus, auf den die Kirche Christi gebaut ist, welche von den Toren der Hölle nicht überwältigt werden wird,7 hat nur einen allgemein anerkannten Brief hinterlassen. Er mag noch einen zweiten hinterlassen haben, doch wird derselbe bezweifelt. Johannes endlich, der an der Brust Jesu gelegen, hinterließ ein Evangelium und gestand in demselben, er könnte so viel schreiben, daß es die Welt gar nicht zu fassen vermöchte.8 Er schrieb die Apokalypse, nachdem er den Auftrag erhalten hatte, zu schweigen und die Stimmen der sieben Donner nicht niederzuschreiben.9 Auch hinterließ er einen Brief von ganz wenigen Zeilen. Auch noch einen zweiten und dritten Brief mag er geschrieben haben, dieselben werden jedoch nicht allgemein als echt anerkannt. Beide Briefe zählen indes keine hundert Zeilen.“ In seinen Homilien zum Hebräerbrief äußert sich Origenes über denselben also: „Jeder, der Stile zu unterscheiden und zu beurteilen versteht, dürfte zugeben, daß der Stil des sog. Hebräerbriefes nichts von jener Ungewandtheit im Ausdruck zeigt, welche der Apostel selber eingesteht, wenn er sich als ungeschickt in der Rede, d. i. im Ausdruck, bezeichnet,10 daß der Brief vielmehr in seiner sprachlichen Form ein besseres Griechisch aufweist. Daß die Gedanken des Briefes Bewunderung verdienen und hinter denen der anerkannten Briefe des Apostels nicht zurückstehen, dürfte ebenfalls jeder als richtig zugeben, der mit der Lektüre des Apostels vertraut ist.“ Später bemerkt Origenes noch: „Ich aber möchte offen erklären, daß die Gedanken vom Apostel stammen, Ausdruck und Stil dagegen einem Manne angehören, der die Worte des Apostels im Gedächtnis hatte und die Lehren des Meisters umschrieb. Wenn daher eine Gemeinde diesen Brief für paulinisch erklärt, so mag man ihr hierin zustimmen. Denn es hatte seinen Grund, wenn die Alten ihn als paulinisch überliefert S. 295 haben. Wer indes tatsächlich den Brief geschrieben hat, weiß Gott. Soviel wir aber erfahren haben, soll entweder Klemens, der römische Bischof, oder Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, den Brief geschrieben haben.“ So viel hierüber.
-
Die hebräischen Buchtitel gebe ich in der griechischen Transskription des Origenes. ↩
-
„Fünftel der Musterungen“. ↩
-
Der rätselhafte hebräische Titel bedeutet wohl: „Der Fürst des Hauses der Söhne Gottes“ oder „Das Haupt des Heldengeschlechtes“. — Das in dem obigen Verzeichnis fehlende Buch der Kleinen Propheten wird in der Übersetzung Rufins nach dem Hohen Liede angeführt. ↩
-
1 Petr. 5, 13. ↩
-
2 Kor. 3, 6. ↩
-
Röm. 15. 19. ↩
-
Matth. 16, 18. ↩
-
Joh. 21, 25. ↩
-
Offenb. 10, 4. ↩
-
2 Kor. 11, 6. ↩