19. Die Diakonissin Publia und ihr freimütiges Eintreten für die Sache Gottes
In jener Zeit lebte eine gewisse Publia, viel genannt und hochberühmt wegen ihrer echten Tugendwerke. Sie hatte kurze Zeit auch das Joch der Ehe getragen und Gott eine gar kostbare Frucht gebracht. Johannes nämlich, der lange Zeit an der Spitze der Priester zu Antiochien stand und öfter für den apostolischen Vorsitz1 gewählt wurde, aber diesem Amte immer auswich, war aus diesem wundervollen Boden entsprossen. Sie selbst leitete einen Chor von Jungfrauen, die lebenslängliche Jungfräulichkeit gelobt hatten, und pries mit ihnen fortwährend Gott, den Schöpfer und Erlöser. Als einmal der Kaiser vorüberging, sangen sie alle miteinander lauter als gewöhnlich, da sie den schuldbeladenen Herrscher für einen verächtlichen und lächerlichen Menschen hielten. Sie sangen aber gerade jene Gesänge, welche die Schwäche der Götzenbilder verspotten, und sprachen mit David: „Die Götzen der Heiden sind Silber und Gold, Werke von Menschenhänden2.” Und nachdem sie deren Empfindungslosigkeit dargelegt3, sangen sie weiter: „Ähnlich mögen ihnen werden, die sie verfertigen, und alle, die auf sie ihr Vertrauen setzen4!” Als jener dieses hörte, geriet er in heftigen Zorn und ließ S. 193 ihnen den Befehl zukommen, sie hätten zur Zeit, wo er vorübergehe, zu schweigen. Die Frau kümmerte sich aber wenig um seine Vorschriften, erfüllte ihre Sängerschar mit noch größerem Mute und ließ sie, als er wieder vorüberkam, singen: „Es erhebe sich Gott, und zerstreut sollen werden seine Feinde5!” Das nahm er jedoch sehr übel auf, ließ die Leiterin des Chores herbeiführen, und obwohl er ihr ehrwürdiges Alter sah, hatte er doch weder Mitleid mit den grauen Haaren ihres Körpers noch Achtung vor der Tugend ihrer Seele, sondern gab einigen Soldaten seiner Leibwache den Auftrag, sie auf ihre beiden Schläfen zu schlagen und ihre Wangen durch Hiebe mit den Händen blutrot zu färben. Sie erachtete indes die erlittene Schmach für die höchste Ehre, kehrte nach Hause zurück und verfolgte ihn auch fernerhin in gewohnter Weise mit ihren geistlichen Liedern, so wie der Verfasser und Lehrer jener Gesänge den bösen Geist im Zaume hielt, der den Saul belästigte6.