7.
Adam stand einst hoch erhaben da, nicht räumlich, sondern kraft seines Willens, da er, beseelt, zum Himmel aufschaute, hoch erfreut über die Dinge, die er sah, voll Liebe gegen seinen Wohltäter, der ihm den Genuß des ewigen Lebens verliehen, ihn in die Wonne des Paradieses versetzt, ihm wie den Engeln Herrschaft gegeben, ihn zum Tischgenossen der Erzengel und zum Hörer göttlicher Stimme gemacht hat. Zu all dem hin stand er unter dem besonderen Schutze Gottes und freute sich seiner Güter. Aber bald wurde er all dieser Dinge satt und, gleichsam durch Übersättigung übermütig geworden, stellte er das, was dem fleischlichen Auge lockend schien, über die Schönheit der geistigen Welt und achtete die Sättigung des Bauches höher als die geistigen Genüsse. Alsbald wurde er nun aus dem Paradiese verstoßen, und vorüber war es mit dem seligen Leben, weil er nicht aus Zwang, sondern aus Torheit böse geworden war. Er sündigte also aus freiem bösem Willen und starb infolge seiner Sünde. „Denn der Sünde Sold ist der Tod1.“ So weit er sich vom Leben entfernte, ebenso stark näherte S. 384 er sich dem Tode. Gott ist ja das Leben; Beraubung des Lebens aber ist der Tod. Folglich verschuldete Adam seinen Tod durch seine Abkehr von Gott, wie geschrieben steht: „Siehe, die weit von dir sich abkehren, kommen um2.“ So hat nicht Gott den Tod erschaffen, sondern wir haben ihn uns durch unsere verdorbene Gesinnung selbst zugezogen. Er hat aber auch aus den oben genannten Gründen unsere Auflösung nicht verhindert, damit die Krankheit nicht unsterblich würde. Man will ja auch ein rinnendes Töpfergeschirr nicht ans Feuer bringen, ehe man nicht die etwa schadhafte Stelle an ihm durch Umformung ausgebessert hat3.
Aber warum ward uns, sagt man, bei der Erschaffung nicht das Unvermögen, zu sündigen4,so daß wir, auch wenn wir wollten, nicht sündigen könnten? — Du siehst aber doch auch deine Diener nicht für gutgesinnt an, wenn du sie in Banden hältst, sondern wann sie freiwillig ihre Pflicht dir gegenüber erfüllen. So ist auch Gott nicht die naturnotwendige Leistung lieb, sondern die Tugendübung. Die Tugend ist aber Sache freier Entschließung, nicht Folge natürlicher Nötigung. Die freie Entschließung aber steht bei uns. Was aber in unserer Macht steht, ist eben der freie Wille. Wer also den Schöpfer tadelt, daß er uns von Natur nicht unsündlich geschaffen hat, stellt die unvernünftige Natur höher als die vernünftige und die bewegungs- und willenlose höher als die freitätige.
Diese Abschweifung war notwendig, damit du dich nicht in einen Abgrund von Spitzfindigkeiten verlierst und neben dem Verluste dessen, was dein Liebstes, auch noch Gottes beraubt würdest. Hören wir also auf, den Weisen verbessern zu wollen! Hören wir auf, nach etwas Besserem zu suchen, als was er verfügt! Sind uns auch die Gründe für seine einzelnen Anordnungen unbekannt, so soll doch wenigstens das eine Dogma bei uns feststehen, daß vom Guten nichts Böses kommt.
