9.
Weil er nun unser Feind geworden war, bestärkte Gott in uns die Feindschaft gegen ihn mit den Worten, mit denen er das Tier, das dem Teufel hier Dienste leistete, anredete, da er die dem Teufel geltende Drohung aussprach: „Feindschaft will ich setzen zwischen dir und ihrem Samen1.“ Denn die Freundschaften mit der Bosheit sind in Wirklichkeit schädlich; dies Gesetz der Freundschaft tritt ja bei den unter sich Verbundenen auf Grund ihrer Gleichheit in Kraft. Daher behält der Ausspruch recht: „Böse Reden verderben gute Sitten2.“ Wie die in ungesunder Gegend nach und nach eingeatmete Luft bei den Bewohnern verborgene Krankheiten verursacht, so bewirkt auch schlechter Umgang in den Seelen große Übel, wenn man auch das Schädliche nicht sofort merkt. Aus diesem Grunde ist die Feindschaft gegen die Schlange unversöhnlich. Wenn aber schon das Werkzeug so großen Haß verdient, wie groß muß dann unsere Feindschaft gegen den sein, der sich des Werkzeuges bediente!
Aber warum, fragen wir, war denn der Baum im Paradiese, durch den dem Teufel der Anschlag auf uns gelingen sollte? Hätte er keine trügerische Lockspeise gehabt, wie hätte er uns dann durch den Ungehorsam in den Tod führen können? Weil es ein Gebot geben mußte, um unseren Gehorsam zu prüfen. Darum trug der Baum schöne, liebliche Früchte, damit wir mit Recht der Kronen der Standhaftigkeit gewürdigt würden, wenn wir uns des Süßen enthalten und so die Tugend der Selbstbeherrschung zeigen.
Der Genuß hatte aber nicht bloß die Übertretung des Gebotes zur Folge, sondern auch die Erkenntnis der Nacktheit. „Denn sie aßen,“ heißt es, „und ihre Augen wurden aufgetan, und sie erkannten, daß sie nackt seien3.“ Sie hätten die Nacktheit nicht merken sollen, S. 387 damit der Geist des Menschen nicht auf die Ergänzung des Fehlenden bedacht und für Kleider und Bedeckung der Blöße besorgt sein müßte, damit er überhaupt nicht durch die Sorge für das Fleisch von der Betrachtung Gottes abgezogen würde. Warum sind denn die Kleider nicht zugleich mit dem Menschen erschaffen worden? Weil diese weder natürlich noch künstlich sein konnten. Natürliche Bekleidung haben die Tiere, wie Federn, Haare, dicke Haut, womit sie sich gegen den Winter schützen und doch die Hitze ertragen können. Die Tiere unterscheiden sich nicht voneinander; sie haben alle die gleiche Natur4. Dem Menschen aber sollten je nach dem Grade seiner Liebe zu Gott herrlichere Güter als Entgelt gegeben werden. Anderseits hätte die Beschäftigung mit der Kunst den Menschen zu ruhelosem Arbeiten veranlaßt, was als Nachteil für ihn vorab zu vermeiden war. Daher denn auch der Herr, wo er uns zu einem paradiesischen Leben zurückrufen will, die ängstliche Sorge um das Leben verbannt mit den Worten: „Sorget nicht ängstlich für euer Leben, was ihr essen werdet, noch für euren Leib, was ihr anziehen werdet5!“ Daher sollte der Mensch weder natürliche noch künstliche Kleider haben. Dafür waren ihm, wenn er sich tugendhaft bewies, andere Kleider bereitet, Kleider, die als Gewand göttlicher Gnade am Menschen leuchten und, der glänzenden Gewandung der Engel ähnlich, alle Blumenpracht und die Klarheit und den Glanz der Sterne überstrahlen sollten. Deshalb also hatte der Mensch nicht von Anfang an Kleider, weil ihm Tugendpreise vorbehalten waren, die ihm die Tücke des Teufels verwehrte.
Der Teufel steht also als unser Widersacher da wegen des Falles, den er uns einst durch seine Arglist bereitet hat; der Herr aber gebietet uns den Kampf gegen ihn; wir müssen in Gehorsam den Kampf gegen ihn wieder aufnehmen und über den Gegner triumphieren. Wollte Gott, er wäre nicht zum Teufel geworden, sondern in jenem Range geblieben, in den er im Anfange vom S. 388 Ordner versetzt worden! Abtrünnig geworden, ist er jetzt ein Feind Gottes und ein Feind der Menschen, die nach Gottes Ebenbild erschaffen worden. Aus demselben Grunde ist er ein Menschenhasser, aus dem er ein Gottesfeind ist. Er haßt uns als Eigentum des Herrn und haßt uns als Ebenbilder Gottes. Der weise und vorsichtige Lenker der menschlichen Schicksale bediente sich seiner Bosheit zur Erziehung unserer Seelen, gleichwie ein Arzt das Natterngift zur Bereitung heilsamer Arzneien gebraucht. — Wer war nun der Teufel? Welches war sein Rang? Welches seine Würde? Woher hat er überhaupt den Namen Satan? Satan heißt er, weil er dem Guten widerstrebt. Denn das bedeutet das hebräische Wort, wie wir aus den Büchern der Könige wissen, wo es heißt: „Der Herr erweckte dem Salomon einen Satan (Gegner), Ader, den König der Syrer6.“ Teufel7 heißt er, weil er uns zur Sünde behilflich und zugleich unser Ankläger ist, sich über unseren Untergang freut und wegen unserer Handlungen uns anklagt. Von Natur ist er unkörperlich — laut dem Worte des Apostels: „Wir haben nicht zu kämpfen wider Fleisch und Blut, sondern wider die Geister der Bosheit8.“ Seine Würde ist die eines Herrschers, denn der Apostel sagt: „Wider die Herrschaften und Mächte, wider die Beherrscher der Welt dieser Finsternis9.“ Der Sitz seiner Herrschaft ist in der Luft, wie derselbe Apostel sagt: „Nach dem Fürsten, der die Macht hat in der Luft, dem Geiste, der jetzt wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams10.“ Daher heißt er auch der Fürst der Welt, weil seine Herrschaft über die ganze Erde sich erstreckt. Sagt ja doch der Herr: „Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen11.“ Und wiederum: „Es kommt der Fürst dieser Welt; an mir aber wird er nichts finden12.“
Gen. 3, 15. ↩
1 Kor. 15, 33. ↩
Gen. 3, 7. ↩
D. h. das gleiche irdisch-vergängliche Naturleben. ↩
Matth. 6, 25. ↩
3 Kön. 11, 14 [= 1 Könige]. Ader, bzw. Adad war übrigens König der Idumäer. ↩
διάβολος [diabolos] von διαβάλλειν [diaballein] = verleumden, anklagen. ↩
Eph. 6, 12. ↩
Eph. 6, 12. ↩
Eph. 2, 2. ↩
Joh. 12, 31. ↩
Joh. 14, 30. ↩
