118.
1. Laßt uns also vor der Gewohnheit fliehen, laßt uns vor ihr fliehen wie vor einer gefährlichen Klippe oder dem Drohen der Charybdis oder den Sirenen, von denen die Sage erzählt!1 Sie würgt den Menschen, sie lenkt ihn von der Wahrheit ab, sie führt ihn von dem Leben fort; eine Schlinge, ein Abgrund, eine Grube, ein verschlingendes Unheil ist die Gewohnheit. „Weit entfernt von dem Rauch und der Woge mußt du dein Meerschiff halten.“2
2. Laßt uns, ihr Fahrtgenossen, fliehen, laßt uns fliehen vor dieser Woge! Sie speit Feuer; sie ist eine Unheilsinsel, gehäuft voll von Knochen und Toten;3 und auf ihr singt eine hübsche Dirne, die Lust, und ergötzt sich an Allerweltsmusik: „Hierher komm, ruhmreicher Odysseus, du Stolz der Achäer; Lenke das Schiff an das Land, daß du göttliche Stimme vernehmest!“4
S. 194 3. Sie lobt dich, Schiffer, und nennt dich vielgepriesen, und den Stolz der Achäer will sich die Dirne zu eigen machen. Laß sie sich an den Toten weiden! Ein Wind vom Himmel kommt dir zur Hilfe; fahre an der Lust vorüber, sie ist eine gefährliche Betrügerin! „Nicht soll ein Weib dir berücken den Sinn, des Freude der Putz ist, Wenn sie heuchlerisch schwätzt und dabei dein Nest dir durchstöbert."5
4. Fahre an dem Gesange vorbei; er bewirkt den Tod! Wenn du nur willst, so bist du Sieger über die Macht der Zerstörung, und angebunden an das Holz6 wirst du von allem Verderben frei sein. Dein Steuermann wird der Logos Gottes sein, und in den Hafen des Himmels wird dich der Heilige Geist einlaufen lassen. Dann wirst du meinen Gott schauen und in jene heiligen Mysterien eingeweiht werden und wirst das im Himmel Verborgene zu schmecken bekommen, das mir aufbewahrt ist, „das weder ein Ohr gehört hat, noch in das Herz irgendeines Menschen gekommen ist“.7
5. „Fürwahr, die Sonne glaub’ ich doppelt jetzt zu sehn Und zweifach Theben“,8 so sagte einer, der durch die Götzen in bakchische Raserei versetzt war, trunken von lauterer Torheit. Ich habe aber mit seiner Trunkenheit Mitleid und lade den, der so um seinen Verstand gekommen ist, zu dem verständigen Heile ein, weil auch der Herr die Bekehrung des Sünders und nicht seinen Tod wünscht.“9
Die Sage von den Sirenen ist in ähnlicher Weise von Methodios, De autex. I 1 ff., und Physiologos 13 Lauchert verwendet. ↩
Hom. Od. 12, 219 f. ↩
Vgl. Hom. Od. 12, 45 f. ↩
Hom. Od. 12, 184 f. ↩
Hesiod, Op. 373 f. ↩
Der Ausdruck ist so gewählt, daß man zugleich an den Mastbaum des Schiffes, an den sich Odysseus binden ließ [vgl. Hom. Od. 12, 178], und an das Kreuz Christi denken kann. ↩
1 Kor. 2, 9. ↩
Euripides, Bakchen 918 f.; vgl. Paid. II 24, 1. Die Worte spricht Pentheus, der König von Theben. ↩
Vgl. Ezech. 18, 23. 32; 33, 11. ↩
