28.
1. Wie nun die, welche den Schlaf von sich abgeschüttelt haben, sogleich im Innern wach sind; oder richtiger, wie die, welche sich bemühen, von ihren Augen zu entfernen, was diese verdunkelt, sich nicht das Licht, das sie nicht haben, von außen verschaffen, sondern nur das wegnehmen, was ihren Augen im Wege steht, und so ihre Pupille frei machen, 1 so wischen auch wir, die Getauften, die dem göttlichen Geiste verdunkelnd im Wege stehenden Sünden wie einen Nebel von uns weg und haben dann das Auge des Geistes frei und durch nichts gehindert und hellglänzend, mit dem allein wir die Gottheit schauen, wenn vom Himmel her noch der Heilige Geist in uns einströmt.
2. Dadurch entsteht eine Mischung ewigen Glanzes, der das ewige Licht zu schauen vermag; denn gleich und gleich ist miteinander befreundet; 2 und befreundet ist das Heilige mit dem, aus dem das Heilige stammt; und das ist das, was im eigentlichen Sinn Licht heißt. „Denn ihr wart einst S. 229 Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn.“ 3 Deshalb, glaube ich, wurde der Mensch von den Alten φώς genannt 4
3. Aber, sagt man, er hat noch nicht die vollkommene Gabe empfangen. Das gebe auch ich zu; jedoch ist er im Licht, und die Finsternis hält ihn nicht mehr fest; 5 und zwischen Licht und Finsternis gibt es nichts in der Mitte. Die Vollendung aber liegt in der Auferstehung der Gläubigen; sie besteht aber nicht darin, daß man an irgend etwas anderem Anteil bekommt, sondern darin, daß man die schon vorher zugesicherte Verheißung empfängt.
4. Denn wir behaupten doch nicht, daß zur nämlichen Zeit beides zugleich stattfinden könne, sowohl die Ankunft am Ziel als die (geistige) Vorausnahme der Ankunft. 6 Denn nicht dasselbe ist Ewigkeit und Zeit und ebensowenig Anfang und Ende; ganz gewiß nicht. Aber beide beziehen sich auf ein Gebiet, und ein und derselbe hat es mit beiden zu tun.
5. Es ist also sozusagen Anfang der in der Zeit geborene Glaube; Ende dagegen ist das für die Ewigkeit verbürgte Erlangen der Verheißung. Der Herr offenbarte aber selbst ganz deutlich die Gleichheit des Heils mit den Worten: „Denn dies ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auf erwecken.“ 7
Das gleiche Bild verwendet Seneca, Brief 94, 5. 18. ↩
Vgl. z. B. Hom. Od. 17, 218; Platon, Gorgias p. 510 B; Diog. V 16; Apost. XII 68. ↩
Eph. 5, 8. ↩
Die Worte für Licht φῶς und Mensch φώς sind gleichlautend. ↩
Vgl. Joh. 1, 5. ↩
Vgl. Philon, De agric. 161. ↩
Die überlieferte Lesart τηρούμενον ist richtig; vgl. 2 Petr. 3, 7. ↩
