2.
Solange das Pferd in den Wäldern mit den wilden Tieren weidet, gehorcht es den Menschen nicht. Fängt man es aber zur Zähmung ein, so legt man ihm einen schweren Zügel an, bis es lernt, in Reih und Glied und rechter Haltung zu gehen. Dann wird es von einem erfahrenen Bereiter in Zucht genommen, damit es auch S. 197 für den Krieg tauglich wird. Darauf legt man ihm eine Waffenrüstung an, nämlich den Brustharnisch und die Panzerdecken, hängt ihm zunächst einen Zügel vor und schüttelt ihn dann vor seinen Augen, damit es sich daran gewöhne und nicht scheue. Auf solche Weise wird es vom Bereiter abgerichtet. Wenn es nun nichts lernt, so kann es nicht in den Krieg ziehen. Lernt es aber und gewöhnt es sich an den Kriegsgebrauch, so sprengt es, sobald es nur etwas wittert und Kriegsgeschrei hört, von selbst bereitwillig gegen die Feinde. Schon durch sein Wiehern jagt es den Feinden Schrecken ein. In gleicher Weise weilt auch die Seele, die seit dem Sündenfalle wild und ungebändigt ist, in der Wüste der Welt unter wilden Tieren, den Geistern der Bosheit, und obliegt dem Sündendienst. Sobald sie nun Gottes Wort hört und glaubt, legt sie, vom [Heiligen] Geiste am Zügel geleitet, ihre wilden Sitten und ihre fleischliche Gesinnung ab und wird von Christus bestiegen und mit dem Zügel regiert. Nun kommt sie in Bedrängnis und Zucht und Beklemmung, um geprüft und vom Geiste allmählich gezähmt zu werden. Es nimmt nach und nach die Sünde in ihr ab und verschwindet. Und so erhält die Seele „den Panzer der Gerechtigkeit, den Helm des Heiles, den Schild des Glaubens und das Schwert des Geistes“1. Sie wird unterwiesen im Kriegführen mit ihren Feinden. Also bewaffnet mit dem „Geiste des Herrn“2 kämpft sie gegen die Geister der Bosheit und „löscht die Brandpfeile des Bösen (= des Teufels) aus“3. Denn ohne die Waffen des Geistes tritt sie nicht in die Schlachtreihe ein. Mit den Waffen des Herrn aber zieht sie, sobald sie von heftigen Kriegen hört und erfährt, unter Kriegsgeschrei und Schlachtruf aus und es stürzen, wie es bei Job4 heißt, schon von der Stimme ihres Gebetes die Feinde nieder. Hat sie so gekämpft und gesiegt durch den Geist, dann trägt sie mit S. 198 großer Zuversicht Siegeskränze davon und genießt Ruhe mit dem himmlischen König5. Ihm sei die Ehre und die Macht in Ewigkeit. Amen. 24. Homilie.
Eph. 6, 14. 17. 16. 17. ↩
Luk. 4, 18; Apg. 5, 9; 8, 39. ↩
Eph. 6, 16. ↩
Diese Stelle kennt das Buch Job nicht, sie findet sich in der hl. Schrift überhaupt nicht. Dagegen kommt der Ausdruck „φωνὴ τῆς δεήσεως“ [„phōnē tēs deēseōs“] in Ps. 5, 3 und 114, 1 [hebr. Ps. 5, 3 u. 116, 1] vor. ↩
Stiglmayr (Sachl. u. Sprachl. b. Mak. S. 28) hat die Quelle aufgefunden, „aus der Mak. wenn auch nicht alle Einzelzüge so doch die Idee und den Kernpunkt des Gleichnisses geschöpft haben mag“. Es ist Gregor von Nyssa (In cant. cant. hom. 3 Migne, P. G. XLIV 817 D s. f.) oder Methodius v. Olymp („Gastmahl“ 8, 12). ↩
