11. Romanus
Der große Theodosius stammte aus Antiochien und führte seinen Kampf auf den rhosischen Bergen, kam nach Antiochien zurück und vollendete da sein Leben. Der göttliche Romanus war in Rhosus geboren und erhielt da seine erste Erziehung. In Antiochien aber unternahm er die Kämpfe der Tugend, wohnte außerhalb der Mauern der Stadt am Fuße des Berges und verbrachte in einer fremden, und zwar sehr kleinen Zelle die ganze Zeit seines Lebens. Bis in sein Greisenalter verschmähte er immer das Feuer und gestattete sich nicht einmal das Licht einer Lampe. Als Nahrung dienten ihm Brot und Salz, als Trank das Wasser einer Quelle. Sein Haar war ähnlich dem des großen Theodosius, ebenso seine Kleidung und sein Eisen.
Er zeichnete sich aus durch Einfalt im Betragen, Sanftmut in den Sitten und Bescheidenheit in der Gesinnung. Deshalb strahlte er den Glanz der göttlichen Gnade aus. „Denn auf wen”, sagt die Schrift, „schaue ich als auf den Sanftmütigen und Ruhigen und den, der Scheu hat vor meinen Worten1?” Und wiederum sprach er zu seinen Jüngern: „Lernet von mir, denn ich bin S. 102 sanftmütig und demütig von Herzen, und ihr werdet Ruhe finden für euere Seelen2.” Und wieder: „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde besitzen3.” Auch Moses, der Gesetzgeber, besaß die Auszeichnung dieser herrlichen Tugend: „Es war aber Moses,” heißt es, „der sanfteste Mann von allen Menschen, die auf Erden leben4.” Dies bezeugt der Heilige Geist auch dem Propheten David: „Gedenke, Herr, des David und aller seiner Sanftmut5.” Und vom Patriarchen Jakob haben wir erfahren, daß er einfach war und im Hause wohnte6.
Diese Tugenden sammelte er wie eine Biene auf jenen göttlichen Wiesen und bereitete den Honig der Wahrheit. Aber er genoß nicht allein die Früchte seiner Arbeiten, er ergoß seine lieblichen Wasser auch auf Fremde. Mit sanfter und süßer Stimme gab er denen, die zu ihm kamen, viele Ermahnungen zur Bruderliebe, viele zur Eintracht und zum Frieden. Viele machte er schon durch seine bloße Erscheinung zu Freunden des Göttlichen. Denn wer hätte nicht mit Bewunderung erfüllt werden sollen, wenn er den Greis anblickte mit abgezehrtem Körper, der schweres Eisen schleppte, ein härenes Gewand trug und nur so viel Nahrung zu sich nahm, als hinreichend war, den Hungertod fernzuhalten?
Außer der Größe und Menge der Arbeiten riß auch die in ihm erblühende Gnade alle zur Bewunderung und Verehrung hin. Denn bei vielen vertrieb er schwere Krankheiten, vielen unfruchtbaren Frauen erflehte er Kindersegen. Und obgleich er so große Macht vom göttlichen Geiste empfangen, nannte er sich einen Armen und Bettler. So stiftete er bei allen, die zu ihm kamen, durch seine Erscheinung und sein Wort Nutzen und füllte damit sein ganzes Leben aus. Von hier scheidend und unter die englischen Chöre versetzt, hinterließ er ein Andenken, das mit dem Leibe nicht begraben S. 103 wurde, sondern grünt und blüht und nimmer verlöschen wird und vielen, die da wollen, heilsam sein kann. Indem also auch ich von ihm den Segen erbitte, will ich das Leben anderer Kämpfer, so gut ich kann, erzählen.
