2. Erläuterung seiner desfallsigen Aussprüche.
Da also in unsern Tagen eine Person ihre Ehe der Kirche entzogen, d. h, einen Heiden geheiratet hat, und da, wie ich mich erinnere, dasselbe auch schon von andern geschehen ist, so habe ich mich gewundert über die Verwegenheit solcher Personen und über die Verblendung ihrer Ratgeber. Denn keine Schriftstelle gibt die Erlaubnis zu einer derartigen Handlungsweise. Oder wollen sie sich etwa, frage ich, mit der Stelle des ersten Korintherbriefes beruhigen: „Wenn einer von den Brüdern eine Gattin hat, die ungläubig ist, und sie einwilligt, in der Ehe mit ihm zu leben, so soll er sie nicht entlassen. Ebenso das gläubige Weib, welches an einen ungläubigen Mann verheiratet ist; wenn es sieht, dass sein Mann einwilligt, so soll es ihn nicht verlassen. Denn der ungläubige Mann wird durch das gläubige Weib geheiligt und das ungläubige Weib durch den gläubigen Mann; sonst wären ja eure Kinder unrein„1. Vielleicht verstehen sie diese Ermahnung von unverbundenen Gläubigen schlechthin und mögen sich darum der Meinung hingeben, man dürfe sich auch an Heiden verheiraten2. Wer sich die Sache so zurecht legt, der möge sich nur hüten, dass er sich nicht wissentlich täusche!
S. 75Es ist aber ganz klar, dass obige Schriftstelle ihrem eigenen Wortlaute nach nur solche Gläubige im Auge hat, welche in der Ehe mit einem Heiden lebend von der Gnade Gottes angetroffen wurden. Wenn ein Gläubiger, heißt es, eine ungläubige Gattin hat, nicht wenn er eine ungläubige Gattin nimmt. Sie gibt mithin zu verstehen, dass jemand, der schon in der Ehe mit einem heidnischen Weibe lebt, sobald er durch die Gnade Gottes bekehrt worden ist, mit seiner Gattin zusammenbleiben soll, wohlverstanden, aus dem Grunde, damit nicht der gläubig Gewordene meine, er müsse sich von ihr, der ihm nunmehr fremd gewordenen und ihm fernstehenden Frau, abwenden. Darum fügt er auch als Grund den Umstand hinzu, dass man in Frieden zu Gott dem Herrn berufen sei, und dass der ungläubige Teil von dem gläubigen durch den Umgang in der Ehe könne gewonnen werden. Dass die Stelle so zu verstehen sei, beweist der Schluss selbst: „Wie jemand vom Herrn berufen wird, so soll er bleiben,“ Berufen aber werden nach meiner unmassgeblichen Meinung nur Heiden, nicht Gläubige, Wenn er vorher über die Ehen der Gläubigen geredet hätte3, dann hätte er wohl den Heiligen unbedingt erlaubt, ohne Unterschied zu heiraten. Wenn er das aber erlaubt hätte, dann hätte er nie eine von dieser seiner Erlaubnis so abweichende und damit in solchem Widerspruch stehende Äußerung hinzugefügt und gesagt: „Wenn der Mann gestorben ist, so ist das Weib frei und mag heiraten, wen sie will, aber nur im Herrn.„ Hier wenigstens ist keine Schwierigkeit zu erheben: denn über das, wobei man Schwierigkeiten erheben könnte, hat der Apostel schon seinen Ausspruch getan. Damit man seine Worte: „Sie mag heiraten, wen sie will“ nicht missbrauche, hat er hinzugesetzt: „aber nur im Herrn„, d, h, im Namen des Herrn, und das bedeutet ohne Zweifel soviel als: einen Christen. Derselbe S. 76heilige Apostel4, der es vorzieht, dass die Witwen und die Unverheirateten in Unversehrtheit verharren, und der uns auf sein eigenes Beispiel hinweist, derselbe schreibt für den Fall der Wiedereingehung einer Ehe keine andere Form vor als: „aber nur im Herrn“. Er gestattet ein Aufgeben der Enthaltsamkeit nur mit der Bedingung: „aber nur im Herrn„. Zum größeren Nachdruck hat er seiner Vorschrift beigefügt: „aber nur“.
Mit welcher Betonung und in welcher Weise man auch obigen Ausspruch vortragen mag — er ist lästig; er befiehlt und rät, er schreibt vor und ermahnt, er bittet und droht zugleich. Streng und kurz ist der Spruch, und gerade durch seine Gedrungenheit beredt. Das ist so die Art der göttlichen Aussprüche — damit man sie sogleich verstehe, sie sogleich befolge. Denn wer wäre nicht imstande, einzusehen, dass der Apostel durch dieses sein Verbot solcher Ehen viele Gefahren und Wunden für den Glauben verhütet und zunächst der Befleckung des geheiligten Leibes durch den heidnischen Leib vorgebeugt habe?
Bei diesem Punkte höre ich die Einwendung machen: Was ist also für ein Unterschied zwischen dem, der mit einem Heiden in einer Ehe lebend vom Herrn berufen wird, und dem, welcher schon vorher, d. h. vor der Eingehung der Ehe, bereits ein Christ war; warum sollten sie nicht auf gleiche Weise für ihren Leib besorgt sein? Und doch wird der eine von der Ehe mit Ungläubigen zurückgehalten, dem ändern darin zu verharren geboten! Warum wird, wenn wir durch den heidnischen Teil befleckt werden, der erstere nicht auch davon getrennt? Aus welcher Rücksicht wird er nicht verpflichtet? — Ich will darauf antworten, wenn es mir der Geist gibt. Zuerst führe ich an, dass es überhaupt dem Herrn wohlgefälliger sei, gar nicht zu heiraten, als sich zu scheiden. So verbietet er denn die Ehescheidung (außer wegen Hurerei), die Enthaltsamkeit dagegen empfiehlt S. 77er. Es hat also der erstere die Verpflichtung, zu verharren, der andere aber auch die Freiheit, gar nicht zu heiraten. Denn, wenn gemäß der Hl. Schrift die, welche mit einem Heiden in der Ehe lebend den Glauben finden, aus diesem Grunde nicht befleckt werden und in der Verbindung mit ihnen sogar noch andere geheiligt werden, so können ohne Zweifel solche, welche vor der Ehe schon geheiligt waren, den nicht christlichen Leib nicht heiligen, indem sie nicht jetzt berufen werden. Die Gnade Gottes heiligt nur das, was sie vorfindet. Daher ist das, was sie nicht heiligen kann, unrein; was unrein ist, hat am Heiligen keinen Anteil, als den, dass es dasselbe mit seinem Gifte verunreinigt und tötet.
1 Kor. 7,12-15. ↩
In diesem Satze ist die Lesart des Cod. Agob. offenbar die irrtümliche; der Zusammenhang verlangt injunctis. ↩
Öhler bietet, da er dem Cod. Agob. zu sehr folgt, unverständliche Dinge und zieht auch sinnwidrig absolute zu pronuntiasset. Es muß heißen: Quod si de fidelium ante (adverbialisch: oben, vorher) matrimonio pronuntiasset, absolute etc. ↩
Öhler hat statt apostulus wieder die Lesart spiritus aufgenommen, indem er nicht beachtet, daß gleich darauf qui nos ad exemplum sui hortatur folgt, was mit Beziehung auf 1 Kor. 7,7 gesagt ist. ↩
