28.
Daher stammen auch jene Reizmittel zur Sünde. In der Besorgnis, den Männern zu mißfallen, schminkt man sich mit künstlichen Farben das Gesicht und schweift mit seinen Gedanken vom schamlos gefälschten Gesichte zu schamloser Verletzung der Keuschheit. Welch unsinnige Torheit liegt in dem Beginnen, sein natürliches Bild zu verändern, ein übermaltes zu schaffen und, während man das Urteil des Gatten scheut, das eigene zu verraten! Denn eine solche fällt zuvor ein Urteil über sich, wenn sie das Aussehen zu ändern sucht, das ihr von Geburt eignet. Während sie auf solche Weise anderen zu gefallen strebt, muß sie doch zuvor sich selbst mißfallen. Könnten wir, o Weib, einen unparteiischeren Richter deiner Häßlichkeit beiziehen als dich selbst? als deine Angst, dich (beim wahren Gesicht) sehen zu lassen? Bist du schön, wozu das Verbergen? Bist du unschön, wozu eine erlogene Schönheit? Du wirst so weder das Wohlgefallen des eigenen Gewissens noch des irregeführten anderen Teiles gewinnen. Er liebt ja eine andere, du begehrst einem anderen zu gefallen. Und du willst aufgebracht sein, wenn er seine Liebe einer Dritten schenkt? An dir doch hat er das schamlose Treiben1 gelernt, du bist die schlimme Lehrerin des Unrechts, das dir widerfährt. Sogar eine solche, die sich dem Verführer in die Arme geworfen, verschmäht es, selbst die Verführerin zu spielen. Ist sie auch ein feiles Weib, macht sie sich doch nicht fremder, sondern nur eigener Sünde schuldig. Und fast erträglicher erscheint in diesem anderen Fall die Lasterhaftigkeit; denn da wird die Keuschheit, in unserem Fall die Natur geschändet.
Der Doppelsinn von adulterare = fälschen, ehebrechen läßt sich deutsch nicht ganz wiedergeben. ↩
