16. Brief des Papstes Bonifacius I. an Rufus und die übrigen Bischöfe Illyricums.1
Bonifacius verbietet den Bischöfen von Illyricum, über die Bestellung des Perigenes zum Bischof von Corinth noch weiter zu streiten und zu verhandeln, und droht ihnen im Falle des Ungehorsams mit der Excommunication; er verbreitet sich ferner über die dem Rufus zustehende Gewalt über die Kirchen Illyricums. S. 352
Den geliebtesten Brüdern, Rufus und den anderen Bischöfen, welche in Macedonien, ThessaIien, Altepirus, Neuepirus, Prävali und Dacien2 eingesetzt sind, (sendet) Bonifacius (seinen Gruß).
1. Es verbleibt dem seligen Apostel Petrus die durch den Ausspruch des Herrn von ihm übernommene Sorge für die ganze Kirche, da er weiß, daß nach dem Zeugnisse des Evangeliums3 dieselbe auf ihn gegründet ist; auch kann seine Würde nie von Sorgen frei sein, da es gewiß ist, daß die Gesammtheit der (kirchlichen) Angelegenheiten von seiner Erwägung abhängt. Dieß dehnt meinen Geist bis an die Orte des Morgenlandes4 aus, welche wir in Folge unserer Obsorge gewissermaßen sehen. Denn unaufhörlich erkundige ich mich bei Jedem, welcher von dort herkommt, um den Frieden der Brüder, d. i. um die Ruhe der Bischöfe, welche, so oft der Teufel sie mit neidischem Auge erblickt, durch die Anmaßung irgend Eines gestört zu werden pflegt. Da nun bisher die Kunde stets dahin lautete, daß Alles der Ordnung gemäß beobachtet werde, staunten wir gar sehr und stutzten, wie es der Bericht seinem Inhalte nach erforderte, über das, was zur Schmach der Väter ein neues Vorhaben versuchte.
2. Denn wir erfuhren aus sicherer Ouelle, daß in Corinth, wir sagen es mit großer Bestürzung, eine Synode zusammentreten soll, um über den zu verhandeln, welchen der apostolische Stuhl nach genauer Prüfung und Untersuchung den Corinthiern zum Bischofe gegeben, indem er (hierin) dem Willen Gottes folgte, welcher gerade diesen, S. 353 wie aus der Verzögerung5 zu ersehen ist, zum Hirten jenes Schafstalles machen wollte, in dem und dem6 er aufgewachsen war. Sollte euerer Liebe seine Ordination7 unbekannt sein, so würde ich gerne wiederholen, was sich mit ihm vom Anfang an zugetragen, damit Denjenigen, vor deren Augen nicht Unkenntniß, sondern Parteilichkeit jene Angelegenheit in Dunkel hüllte, durch diese Darlegung einleuchte, daß über ihn ganz eigens der Wille Gottes waltete, durch den, wie wir sagten, es sich zeigte, daß der Ausspruch des Himmels der Kirche von Corinth ihren Zögling (zum Bischof) aufbewahrte. Dieß forderte ganz deutlich die Zustimmung der Bürger und Kleriker von uns. Auch ordnete Dieß unser Befehl nicht vorschnell an, sondern wir ließen, wie es die kirchliche Disciplin erforderte, durch unseren Bruder und Mitbischof Rufus die Angelegenheit genau8 prüfen und den Inhalt der Bitte durch seine in der Nähe getroffenen Maßnahmen erwägen, damit Nichts voreilig von diesem Stuhle vorgenommen zu werden scheine, welcher häufig die Übereilungen Anderer unterdrückte. Nach einiger Zeit gelangte in dieser Angelegenheit ein mit den vorher übersendeten Wünschen übereinstimmendes Schreiben unseres obgenannten Bischofs 9 an uns, durch dessen ganz erwiesene Erklärung bestimmt wir Jenen zum Bischofe der Kirche machten, in welcher er durch die einzelnen Ehrenstufen hindurch auch sein früheres Leben zugebracht hatte.
3. Ich befahl sogleich in einem zweiten an den genannten Bischof gerichteten Schreiben10 welches die Zustimmung S. 354 des ganzen11 Presbyteriums hatte, Dieß durchzuführen, in Nachahmung der Vorfahren, welche stets die Kirche von Thessalonich als ihre Vertraute und Dienerin in brüderlicher Liebe, wie es die Archive bezeugen, dieser Ehre für würdig hielten. Dieselbe gewährt die Gnade des apostolischen Stuhles dem Bruder Rufus auch für die Zukunft, nach dem Beispiele des Herrn, welcher die Gedemüthigten erhöht, die Hochmüthigen stets erniedrigt, indem er jenen Gnade verleiht, diesen aber widerstehet.12
4. Wie groß also ist das Geschenk der Demuth, welches auf der Wage der göttlichen Gnade gewogen wird! Wie groß aber die Strafe des Stolzes, welchem der Herr und Regierer der ganzen Welt eigens widersteht. Ich überlasse es jedoch euerer Brüderlichkeit, besser zu beurtheilen, wer der Lehrmeister der Demuth und wer der des Stolzes sei. Fern sei es aber von den Bischöfen des Herrn, daß Einer von ihnen die Schuld auf sich laste, daß er durch einen anmaßenden Neuerungsversuch sich mit den Gesetzen der Vorfahren in Widerspruch setze; ein Solcher möge wissen, daß er den zum Gegner habe, bei welchem unser Christus das oberste Hohepriesterthum hinterlegt hat. Wer immer gegen diesen durch Schmähungen sich erhebt, wird kein Bewohner des Himmelreiches sein können. „Dir", heißt es, „werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben," 13 in das Niemand ohne die Gunst des Pförtners eintreten wird. „Du bist Petrus," sagt (der Herr), „und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen."14 Wer immer also auch vor unserem Gott nach seiner Bischofswürde geschätzt werden will, muß, weil man zu Gott durch Petrus gelangt, auf welchem, wie gesagt, ohne Zweifel die ganze Kirche gebaut ist, sanftmüthig und demüthig sein von Herzen, damit der widerspenstige Schüler nicht der Strafe jenes Lehrmeisters anheimfalle, dessen Hoffart er nachahmte. S. 355
5. Es versammelt sich also, um zu dem Gegenstande dieser Unbilde zurückzukommen, eine Synode, welche mit steter Verachtung des über dem Erwählten in Folge geheimen Rathschlusses Gottes gefällten Entscheides eine neue Untersuchung führen soll;15 es wird also, was nach den Regeln durchaus nicht wird geschehen können, die Würde unseres Bruders und Mitbischofs Perigenes zweifelhaft und unsicher werden, den doch unser Ausspruch auf den Sitz der obgenannten Kirche erhob. Was trat denn für ein Unwissender und vielleicht gerade von der Fremde Heimkehrender als Ankläger auf? Welcher von den Bischöfen befahl denn, daß die Brüder sich versammeln sollten, nachdem schon unsere Briefe gelesen waren? Weil es am Platze ist, so werdet ihr, so ihr die Bestimmungen der Canones 16 durchlesen wollet, finden, welcher Stuhl nach der römischen Kirche der zweite und welcher der dritte ist. Von diesen also ist jene Ordnung deßhalb festgesetzt, damit die Vorsteher der übrigen Kirchen wissen, welchen sie allerdings unter einer und derselben Bischofswürde, mit Wahrung der Liebe, wegen der kirchlichen Disciplin unterworfen sein müssen. Und dieser Ausspruch der Canones hatte Geltung seit Alters her, wie er auch bis jetzt unter dem Beistande unseres Christus fortdauert. Niemand hat sich je der apostolischen Oberhoheit, über deren Urtheil kein abermaliges Verhandeln gestattet ist, kühn entgegengestellt, Niemand wurde hierin ein Empörer, ausser er wollte, daß man über ihn aburtheile. Es beobachteten (diese Oberhoheit) die großen, in den Canones als bevorzugte genannten Kirchen, die von Alexandrien und Antiochien, weil sie das kirchliche Recht kennen. Sie halten, sage ich, an den Verordnungen der Vorfahren, indem sie in Allem gehorchen und dafür jene Gnade erhalten, S. 356 welche sie, wie sie wissen, im Herrn, der unser Friede ist, uns verdanken.
6. Weil es jedoch die Sache fordert, so soll durch Documente bewiesen werden, daß die größten Kirchen des Orients in wichtigen Angelegenheiten, welche eine größere Untersuchung und Überlegung erheischten, stets den römischen Stuhl befragten und, so oft es nöthig war, seine Hilfe anriefen. Athanasius und Petrus seligen Andenkens, die Bischöfe der alexandrinischen Kirche, begehrten von diesem Stuhle Hilfe. Als die Kirche von Antiochien durch lange Zeit bedrängt war, so daß deßhalb von dort häufig Gesandte kamen, erst unter Meletius, später unter Flavianus, ist es erwiesen, daß der apostolische Stuhl um Rath gefragt wurde. Jedermann weiß, daß durch dessen Auctorität nach vielen von unserer Kirche gepflogenen Verhandlungen Flavianus die Gnade der Gemeinschaft erlangte, 17 deren er für immer hätte entbehren müssen, wenn nicht von hier aus hierüber Schriften ergangen wären. Der Herrscher Theodosius gütigsten Andenkens, welcher glaubte, die Ordination des Nectarius sei deßhalb nicht gültig, weil sie uns nicht bekannt war, forderte durch Hofbischöfe, welche er von seiner Seite hersandte, daß diesem vom römischen Stuhle eine regelrechte Formata zugeschickt werde, welche seine Bischofswürde bestätige.18 Vor Kurzem, unter Innocentius, meinem Vorgänger seligen Andenkens, baten die Bischöfe der orientalischen Kirchen, weil sie ihre Trennung von der Gemeinschaft des heil. Petrus betrauerten, durch Gesandte, S. 357 wie euere Liebe sich erinnert, um Frieden.19 Damals gewährte der apostolische Stuhl Alles leicht, jenem Lehrer folgend, welcher sagte: 20 „Wenn ihr aber Jemand verziehen habt, so habe auch ich verziehen; denn auch wenn ich Etwas vergeben habe, (es vergeben) wegen euch an Christi Statt, damit wir nicht vom Satan in Besitz genommen21 werden; denn seine Anschläge sind uns bekannt;" da er nemlich stets an der Uneinigkeit seine Freude hat.
7. Weil wir demnach, theuerste Brüder, dafür halten, daß die angeführten Beispiele zum Beweise der Wahrheit hinreichen, obwohl euch noch mehr bekannt sind, so wollen wir euere (beabsichtigte) Zusammenkunft, ohne euere Brüderlichkeit zu verletzen, durch dieses unser Schreiben verhindern, welches wir, wie ihr seht, durch den unserem Herzen sehr theueren und von unserer Seite entsendeten Severus, Notar des apostolischen Stuhles, an euch richteten, mit der geziemenden Bitte, daß keiner von euch, Brüder, der in unserer Gemeinschaft bleiben will, den Namen unseres Bruders und Mitbischofs Perigenes nochmals zur Verhandlung vorlege, dessen Bischofswürde schon einmal der Apostel Petrus nach Eingebung des heil. Geistes bestätigt hat, mit Beseitigung aller weiteren Fragen, dem, weil er von uns zu jener Zeit, als er frei war, eingesetzt wurde, durchaus Nichts entgegenstand. So möge denn die Anklage aufhören, die, wie wir beweisen, aus Mißgunst hervorgeht. Man löse das Netz der gegen ihn gesponnenen Ränke, da er durch die Gnade unseres Gottes und aller Guten zum Bisthume gelangte.
8. Weil jedoch dem Kläger Gelegenheit 22 gelassen wer- S. 358 den muß und wir den Schein vermeiden wollen, ihm gar kein Gehör zu schenken, 23 so wird, wenn etwa von demselben, nachdem er durch unsere Auctorität zum Bischof bestellt worden Etwas gegen die Disciplin und Pflicht des Bischofsamtes begangen worden wäre, unser Mitbischof Rufus, dem wir an unserer Statt Alles übertragen, mit den übrigen von ihm selbst erwählten Brüdern diese Angelegenheit in's Verhör nehmen und uns über Alles berichten, was immer der Verlauf der Dinge und die Ordnung seinem Erkenntnisse nahelegte.
9. Weil ferner unser Brief der gewöhnlichen Ermahnung nicht ermangeln darf, so ermahnen und befehlen wir euch nochmals dringend, daß ihr allen Anordnungen dieses Mannes Gehorsam leistet. Keiner, wie wir (schon) oft sagten, wage es, eine Ordination ohne dessen Wissen vorzunehmen, dem wir, wie es oben erwähnt wurde, an unserer Statt Alles überlassen. Sich selbst müssen es die Urheber solcher Anmaßung in Zukunft zuschreiben, wenn sie der apostolischen Liebe verlustig werden. Gegeben am 11. März unter dem 13. Consulate des Honorius und dem 10. des Theodosius, unserer Kaiser. 24 S. 359
Coustant p. 1039 unter Num. XV., Mansi VIII. p. 755, Holsten. Coll. rom. I. p. 69. ↩
Vgl. die Provinzen Illyricums, wie sie Innocentius I. im 14. Brief an Rufus aufzählt, oben S. 82. ↩
Matth. 16, 18. ↩
Insbesondere auf die Provinzen Illyricums, welche seit 379 zum Orient gehörten. ↩
Welche durch die Weigerung der Patrenser, Perigenes zum Bischof anzunehmen, verursacht wurde. ↩
Zu dessen Dienste, Nutzen und Ehre. ↩
Ihren besonderen Umständen nach. ↩
Negotii interiora. ↩
Rufus. ↩
Diese Bedeutung hat hier, wie häufig, auctoritas. ↩
Die römischen nemlich. ↩
I. Petr. 5, 6. ↩
Matth. 16, 19. ↩
Ebend. 16, 18. ↩
Statt des corrumpirten Textes: synodus cujus dilecto consultum semper superhabens concilii recognoscat arcanum möchte Coustant lesen: synodus quae de electo consultum superni insuper habens consilii recognoscat arcanum. ↩
Damit ist auf den 6. Canon von Nicäa hingewiesen. ↩
S. das 14. der verlor. Schreiben des P. Siricius, 488. ↩
Nachdem die von der Synode zu Constantinopel v. J. 382 in ihrem Schreiben an P. Damasus gerichtete Bitte um Bestätigung des Nectarius (s. Briefe der Päpste II. S. 330 ff.) nicht erfüllt wurde, sah sich wahrscheinlich Kaiser Theodosius zur Erneuerung dieser Bitte in der oben geschilderten Weise veranlaßt. ↩
S. den 19. u. 20. Brief des P. Innocentius I. oben S. 102 ff. ↩
II. Cor. 2, 10 u. 11. ↩
Statt possideamur hat die Vulgata: circumveniamur. ↩
Seine Klage vorzubringen und zu beweisen. ↩
Nach der von Coustant empfohlenen Verbesserung des: ne audientiam penitus incitare videamur in: ne aud. pen. incidere vid. ↩
D. i. 422. ↩
