3.
Bei dieser erbarmungsreichen Güte Gottes, deren Größe uns gegenüber wir nicht zu schildern vermöchten, muß sich, Geliebteste, der Christ gar ängstlich hüten, aufs neue den Nachstellungen des Satans zu unterliegen und zum zweiten Male in dieselben Irrtümer zu verfallen, denen er soeben entsagt hat. Steht ja der Erbfeind, „der sich die Gestalt eines Engels des Lichtes gibt“1 , nicht davon ab, überall seine trügerischen Fallstricke zu legen und den Menschen zuzusetzen, um sie auf alle mögliche Weise in ihrer Glaubenstreue wankend zu machen. Er weiß gar wohl, bei wem er das Feuer der Habsucht zu entzünden hat, und wem mit den Lockungen des Gaumens beizukommen ist; bei wem er den Stachel der Sinneslust ansetzen muß, und wem er das Gift des Neides einzuträufeln hat. Er weiß gar wohl, wen er durch Gram verwirren, wen er durch Freude täuschen kann; wen er durch Furcht zu erdrücken, wen er durch schmeichelnde Bewunderung zu verführen vermag. Bei allen erwägt er ihre Gewohnheiten, beschäftigt er sich mit ihren Sorgen und erforscht er ihre Neigungen. Und gerade in d e r Sache, mit der er jemand a m liebsten sich beschäftigen sieht, sucht er ihm schaden zu können. Hat er doch unter jenen, die er schon enger an sich gekettet, gar viele, die sich auf seine Tücken verstehen, deren Scharfsinn und Zunge er sich zunutze macht, um andere zu betören. Gerade diese sind es, die sich dazu erbieten, Krankheiten zu heilen, die Zukunft zu deuten, allerlei böse Geister zu beschwichtigen und Gespenster zu bannen. Zu ihnen gesellen sich noch jene, die davon fabeln, S. 119der ganze Lebenslauf der Menschen hänge von der Einwirkung der Gestirne ab, die behaupten, daß alles, was auf den Willen Gottes oder unseren eigenen zurückzuführen ist, der Ausfluß eines unabwendbaren Geschickes sei. Und doch verheißen sie dann wieder, um Schaden auf Schaden zu häufen, eine Änderung des drohenden Schicksals, wenn man nur bittend bei den feindlichen Sternen Zuflucht sucht. So fällt also ihr gottloses Lügengebäude in sich selbst zusammen; denn bleiben ihre Prophezeiungen nicht unabänderlich, so hat man die Fügungen des Geschickes nicht zu fürchten; bleiben sie jedoch bestehen, so braucht es keine Verehrung der Gestirne.
2 Kor 11,14 ↩
