4.
Wir halten also daran fest, daß in dem einen Jesus Christus, unserem Herrn, dem wahren Gottes und Menschensohne, die göttliche Natur vom Vater und die menschliche von der Mutter stammt. Wenn nun aber auch das „Wort Gottes“ und das „Fleisch“ nur eine Person bilden und beide Wesenheiten an allen Handlungen teilnehmen, so müssen wir uns doch die Taten selber genauer ansehen und uns, wie dies echtem Glauben geziemt, vergegenwärtigen, worin sich die Erhöhung der schwachen Natur und worin sich die Erniedrigung der Hoheit und Stärke zeigt. Erkennen müssen wir, welche Taten das Wort nicht ohne das Fleisch und das Fleisch nicht ohne das Wort ausführen kann. Wäre der Herr nicht das mächtige Wort1 , so würde die Jungfrau weder empfangen noch geboren haben. Und wäre er nicht wahres Fleisch, so würde das Kind nicht in Windeln in der Krippe liegen2 . Wäre er nicht das mächtige Wort, so würden nicht die Weisen den Knaben anbeten, auf den sie der neuerschienene Stern hingewiesen hatte3 . Und wäre er nicht S. 340wahres Fleisch, so wäre nicht der Befehl ergangen, das Kind, das Herodes zu töten suchte, nach Ägypten zu bringen4 . Wäre er nicht das mächtige Wort, so würde nicht die Stimme des Vaters vom Himmel herabrufen: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe“5 . Und wäre er nicht wahres Fleisch, so würde nicht Johannes von ihm sagen: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt!“6 . Wäre er nicht das mächtige Wort, so würde er nicht Kranke heilen7 , und Tote zum Leben erwecken8 . Und wäre er nicht wahres Fleisch,so würde weder für den Hungernden Speise9 , noch für den Ermüdeten Schlaf10 vonnöten gewesen sein. Wäre er nicht das allmächtige Wort, so würde er endlich auch nicht behaupten, daß er dem Vater gleich sei11 . Und wäre er nicht wahres Fleisch, so würde er andererseits auch nicht erklären, daß der Vater größer sei als er12 . Der katholische Glaube bekennt sich zu beidem und verteidigt beides: Er hält daran fest, daß die menschliche und die göttliche Natur des Herrn ihre Eigenart beibehalten und der eine Sohn Gottes zugleich „wahrer Mensch“ und „ Gottes Wort“ ist. Noch viele Beweise könnten wir, Geliebteste, zur Erläuterung dieses Glaubenssatzes, über den wir euch predigen, aus der gesamten Heiligen Schrift anführen, weil uns die göttliche Offenbarung nichts öfter einschärft, als daß der Sohn Gottes seiner Gottheit nach seit Ewigkeit her vom Vater S. 341gezeugt ist, hinsichtlich seiner menschlichen Natur aber erst in der Zeit von seiner Mutter geboren wurde. Um euch aber, liebe Zuhörer, nicht zu ermüden, wollen wir unseren heutigen Vortrag in der Weise abkürzen, daß wir uns das, was wir noch zu sagen haben, auf Mittwoch aufsparen! Zu dieser Fortsetzung möge uns seinen Beistand leihen unser Herr Jesus Christus, der mit dem Vater und dem Heiligen Geiste lebt und waltet in Ewigkeit! Amen.
