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So fanden denn jene sinnlosen Spottreden keine Beachtung. Weder durch Beschimpfungen noch durch Schmähungen ließ sich der barmherzige Herr, der die Verlorenen und Gefallenen retten wollte1 , von dem einmal betretenen Wege abbringen. Um die Welt zu erlösen, sollte Gott ein einzig dastehendes Opfer dargebracht werden! Durch seinen seit so vielen Jahrhunderten prophezeiten Tod wollte Christus als wahres Osterlamm den Kindern der Verheißung die Freiheit des Glaubens bringen. Auch der Neue Bund sollte besiegelt und der Mensch durch das Blut Christi zum Erben eines ewigen Reiches eingesetzt werden! Darum schickte sich der Hohepriester jetzt an, das Allerheiligste aufzusuchen. Sein Leib war der Vorhang, durch den der makellose Diener des Herrn vor Gott hintreten wollte, um ihn mit uns zu versöhnen2 . Kurz, jetzt vollzog sich offenbar der Übergang vom Gesetze zum Evangelium und von der Synagoge zur Kirche. Jetzt trat augenscheinlich ein Opfer an die Stelle vieler, so daß beim Tode Christi jener vorbildliche Vorhang, der das Innerste des Tempels und sein heiliges Geheimnis den Blicken entzog, plötzlich von oben bis unten gewaltsam auseinandergerissen wurde3 . Die Erfüllung verdrängte die Prophezeiung und mit dem Erscheinen des Verheißenen waren die Verheißungen überflüssig geworden. Dazu kam noch der furchtbare Aufruhr in der gesamten Natur: Die Schöpfung weigerte sich, den an der Kreuzigung Christi Schuldigen noch länger zu dienen4 . Aber obwohl selbst der die Hinrichtung des Herrn überwachende Hauptmann voll Schrecken über das Gesehene ausrief: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“5 , hören wir doch nicht, daß die Juden ihre S. 363Gottlosigkeit, die härter als alle Grabsteine und Felsen war, durch Reue gemildert hätten. So zeigten also offenbar die Krieger Roms größere Bereitwilligkeit, an den Sohn Gottes zu glauben, als die Priester Israels.
